Von Leerdam nach Gouda – Käse und ein Nationalpark

Von Leerdam nach Gouda – Käse und ein Nationalpark

Seit zehn Jahren schon wollten wir mit Freunden ein Hausboot ausleihen, Zeit für Zeit war der Plan vergessen und wurde nun doch endlich in die Tat umgesetzt. 

Gleich beim Abholen der Yacht bemerkten wir, dass wir wohl falsch ausgestattet waren. Zwei Packungen Nudeln für den Notfall, ein paar Dosen Cider was braucht man da schon, wir werden doch sowieso in Stadtnähe übernachten. Die älteren Niederländer, die ihr Boot nebenan beluden, belehrten uns eines Besseren. Ein Sack Kartoffeln, eine große Tüte Lauch, 6 Kisten Weißwein, ein Rührgerät für die obligatorischen Pfannkuchen und jede Menge Pfannen. Sie wären einen Monat unterwegs, riefen sie uns von unten zu, als sie merkten, dass wir sie mit fragenden Blicken beobachteten. Ach so, na dann. Als wir ein bisschen über den nicht enden wollenden Gepäck und Proviant Strom lachen mussten, rief eine der Frauen, wir könnten ihnen stattdessen auch helfen. Na gut. Jetzt war aber Ehrlichkeit angesagt, aus dem Monat wurden vier Tage, sie würden einfach gern auf dem Boot bleiben. Dafür bekamen wir zwei Flaschen aus ihrem Weinvorrat, der sich jetzt als anderthalb Kisten pro Tag entpuppte. Wir waren etwas traurig, dass wir das Grüppchen unterwegs nicht wieder trafen.

Nach einer kurzen Fahrstunde auf dem idyllischen Flüsschen nach Leerdam und ein paar Anlegeübungen zogen wir los. Es war ein heißer Tag und vom Bug aus konnte man herrlich die Landschaft im Fahrtwind genießen. Bis auf den aktuellen Fahrer natürlich. Es war allerdings schon später Nachmittag und wir kamen nur bis Gorinchem, wo wir an einem wunderschönen Hafen über Nacht anlegen. Der Hafen liegt in einer Biegung des Deiches und hat einen kleinen Strand. Das erste mal an den verwinkelten Stegen anzulegen war ein kleines Abenteuer, man kann ja nicht das Boot irgendwo abstellen und erstmal zur Rezeption gehen. Am Telefon wurde uns eine Nummer genannt, die wir aber nicht fanden. Weil es schon spät war, nahmen wir einfach zum Einstieg einen Platz der halbwegs einfach zum An- und Ablegen aussah, machten das Boot fest, suchten einen Steckplatz für unser Stromkabel und kletterten über die Stege Richtung Stadt zum Abendessen. 

Schnell merkten wir, dass Häfen scheinbar Campingplätze auf dem Wasser sind, dabei wirken sie immer so unbelebt. Vom Steg aus bemerkt man aber die vielen Menschen, die den Abend auf ihren Yachten ausklingen lassen und im Hafengebäude gibt es Bäder, Waschmaschinen und alles was man braucht. 

Gorinchem ist ein idyllisches Städtchen am Deich, in dem am Abend nicht mehr viel los war. Wir fanden dennoch ein leckeres, gut besuchtes Restaurant und wären auch gern bei Tageslicht noch einmal wieder gekommen.

Am nächsten Morgen füllten wir während des Frühstücks den Wassertank mit Vorsicht und Skepsis. Um ehrlich zu sein, würden wir kein zweites mal so ein Boot ausleihen, weil es eine wahnsinnige Umweltverschmutzung ist, mit der wir nicht gerechnet hatten. Die Boote haben keine Abwassertanks und alles läuft direkt in den Fluss, Dusche, Toilette, Spülwasser. Wir fragten uns, wie oft schon jemand unseren Trinkwasserschlauch hatte ins Hafenwasser fallen lassen und ob wir das Wasser wirklich zum Kaffeekochen verwenden sollten. Nun, da es nun mal so war, fanden wir uns aber schließlich damit ab. 

Leinen Los, unser nächstes Ziel war der Nationalpark Biesbosch, davor ging es erstmal abenteuerlich schnell über die Maas, zusammen mit Container- und Flusskreuzfahrtschiffen.

Zum Nationalpark verpassten wir erstmal die winzige Einfahrt, fanden aber zum Glück rechtzeitig zurück, denn die Schleuse öffnet nur zwei Mal am Tag. Unsere erste Schleuse, wie aufregend, die in Gorinchem war offen gewesen. Vorher war noch Zeit für einen kurzen Spaziergang je Pärchen in den Ausläufern Biesboschs, zwischen kleinen Bächen, Vögeln, Pferden und Kühen. Ein Schafherde mit Hund graste direkt am Anleger.

Dann, endlich kam die Schleusenwärterin, öffnete manuel die Tore und ließ uns einfahren. Der Wasserstandsunterschied war so gering, dass wir das Schleusen kaum bemerkten. Nun fuhren wir durch das verwilderte Naturschutzgebiet, mit seinen verwucherten Ufern. Überall zweigen winzige Kanäle ab, in denen sich die seltsamsten Vögel tummeln. Bald erreichten wir am anderen Ende Dordrecht und kamen in unserem nächsten Hafen an. 

Der Hafen war übersichtlicher zum Anlegen, weil weniger verwinkelt als der letzte. Dafür war er riesig und wir mussten lange über den Steg laufen, um an Land zu kommen, wir prägten uns die Boote am Anfang ein, um nicht falsch abzubiegen und hofften, dass die länger blieben als wir. In Dordrecht lagen die größeren Yachten, in einer konnten wir einen Fernseher sehen, der größer war als unserer zu Hause und viele hatten riesige Fletzcouchen oder Esstische für eine Großfamilie und viel Bling Bling. Dabei waren wir schon verwundert, dass unsere zwei winzigen Schlafzimmer und der halbwegs geräumige Aufenthaltsraum auf so ein Boot passen. 

Dordrecht gefiel uns gut und wir lernten den einzigen Uber Fahrer der Stadt kennen, er hatte eigentlich schon Feierabend, brachte uns aber dann doch zurück zum Hafen, weil er uns ja schon kannte. Leider entdeckten wir zwischen den vielen alten Gebäuden viele Baustellen, denn die Stadt sinkt ins Meer ab und viele Häuser haben schwere Schäden davon. Was noch da ist, ist aber wunderschön, besonders die große Kirche und das Rathaus am anderen Ende der Altstadt und die alte Häuserzeile an dem kleinen privaten Hafen. 

Wasser und Strom aufgetankt, Leinen los. Der Mittwoch stand im Zeichen des Käse, es ging nach Gouda. Hauptsächlich über breite Flüsse, die Maas und ein Stück der Ijsel kamen wir schnell voran. Jeder fuhr ein Stündchen während die anderen einen Cider im Bug genossen und bald erreichten wir die schmalen Kanäle der Stadt. So ein Innenstadthafen ist dann wieder was ganz anderes, man legt in einem bestimmten Gebiet einfach an den Kanalwänden an. Der Hafenmeister kam am nächsten Morgen zum Kassieren und sah dabei ähnlich verschlafen aus wie wir. 

Wir mussten nun nur noch die kleine Zugbrücke vor unserer Nase überqueren, die den Yachthafen vom Museumshafen trennt und schon waren wir in der Altstadt. Jetzt noch durch eine Einkaufsmeile mit Käsegeschäften und da war der Marktplatz mit dem wahnsinnig schönen Rathaus in der Mitte.

Direkt am Markt steht die Stadtwage, ein altes Handelshaus, in dem früher der Käse gewogen und die Steuern dafür bestimmt und kassiert wurden, wir entscheiden uns für eine Besichtigung und bekamen noch ein Käsetasting schmackhaft gemacht. Was? Wir wissen doch, wie Gouda schmeckt! Wir werden sehen.   

Der Käse kommt eigentlich nicht aus der Stadt sondern aus dem Umland, Gouda ist auch kein geschützter Begriff, deshalb schmeckt er auch immer etwas anders. Entscheidend ist der tonhaltige, salzige Boden der Region und die Lagerung der Käseräder. Käseräder lagerten jedenfalls jede Menge auf den alten Wagbrettern im Eingangsbereich. 

Das Tasting fand im ersten Stock in einem komplett blauen Esszimmer statt. Wir waren überrascht. Auf einer kleinen Schale wurden uns drei Stücke serviert und ein Glas Wasser. Das erste Stück war ein junger Gouda, zwei Monate alt. Ja, ganz lecker. Das zweite Stück entpuppte sich als einer der leckersten Käse, die wir bisher gegessen haben. Mittelalt, also 6 Monate und Gewinner des Käsepreises vom letzten Jahr, Zoeteweijde, cremig und doch schon mit einzelnen Kristallen. Zum Glück gab es unten ein Käsegeschäft. Der dritte war ein alter Gouda, schon bröselig und sehr viel leckerer als jeder uns bisher bekannte Gouda. 

Für das Käsefest in diesem Jahr wurden am Marktplatz gerade die Zelte und Stände aufgebaut, es findet am Wochenende statt und ein neuer Käse wird als leckerster Käse der Niederlande gewählt werden. 

Im Anschluss erfuhren wir, dass die Stadt nicht nur für Käse bekannt ist, immer wieder von wirtschaftlichen Schwierigkeiten getroffen, erfand sie sich im Laufe der Jahrhunderte ständig neu. In Gouda wurde die Sirupwaffel erfunden, eigentlich als gehaltvolle, billige Nahrung für arme Leute, verkaufte sie sich im ganzen Land. Noch immer gibt es über zwanzig Bäckereien, jede mit einem eigenen Geheimrezept. Bis zum Abend hatten wir uns hier für ein privates Tasting eingedeckt. Wir fanden sogar einen Laden, wo man sämtliche Produkte in großen Tüten mit am Automaten kaufen konnte.  Zwischendurch war Gouda auch mal Tonpfeifen Imperium und der größte Kerzenproduzente, aus den Resten der Käseräderverpackung und als Beschäftigung für den Winter. 

Nach dem Besuch der Stadtwaage flanierten wir noch etwas durch die Gassen, entdeckten herrliche Grachten und idyllische, parkähnliche Innenhöfe, bis wir uns nach dem Abendessen zurück auf den Weg zum Boot machten. 

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