
Vom Lusterfjord auf die Lofoten – 1000km – so tiefer Schnee, so dichte Wälder, so endlose Weite
In Sogndal zweigt der Lusterfjord ab und nicht weit von dessen Ufer steht die Stabkirche von Ornes, die älteste Stabkirche der Welt. Das Ostufer erreichten wir mit einer kleinen privaten Fähre, von einem versteckten Dörfchen in einem grünen Tal mit einspuriger, holpriger Serpentinenstraße. Alles ist hier irgendwie winzig und niedlich. Die Kirche steht auf einem Hügel über Ornes und ist selbst auch ziemlich klein. Mystisch zog vom Wald Nebel über den angrenzenden Friedhof und um das dunkle Holzgebäude. An einer Seite sind noch alte Verzierungen erhalten, Wikingerkunst.
Wir hatten Glück und erwischten noch die letzte Führung. Führung ist eigentlich zu viel gesagt, die kleine Gruppe passte gerade so in den Innenraum. Durch die offene Tür hatten wir einen weiten Blick über den Fjord, mit dem kleinen Dörfchen gegenüber. Die Decke des kleinen Raumes sieht aus wie ein umgedrehtes Schiff und jede Säule ist mit einer anderen Schnitzerei verziert. Überhaupt ist der winzige Raum mit unglaublich vielen schönen Verzierungen vollgestopft, Mischungen aus christlicher- und Wikingerkunst und einer Holzkonstruktion, die die Stabilität erhält. Obwohl so klein, gibt es drei Kabinen für reiche Familien.
In der Kirche gibt es kein elektrisches Licht, was wohl einer der Gründe ist, warum es nur noch so wenige Stabkirchen gibt. Ein anderer Grund ist eine Regelung der Kirche, dass eine Kirche für ⅓ der Einwohner der Region ausreichen muss, somit waren viele zu klein und wurden abgerissen. Zum Glück nicht diese. Wir blieben lang in dem winzigen Raum, er ist wie ein Wimmelbild und wir entdeckten immer wieder ein neues schönes Detail.
Als wir die Kirche verließen war die Landschaft so weit in Nebel gehüllt, dass die umliegenden Berge darüber zu schweben schienen. Den Anblick scheint es nicht oft zu geben, sogar die beiden Guides waren fasziniert davon.
Wir hatten unterhalb des Ortes geparkt, wo wir nach der Besichtigung einen tollen Picknickspot vorfanden, mit Blick über das ganze Tal.
Vor uns lag nun eine lange aufregende Fahrt, knapp 1000 km bei meist nur 80 km/h von Ornes bis nach Bodo, wo wir die Fähre auf die Lofoten nehmen wollten. An vielen traumhaften Orten unterwegs war der Drang länger zu bleiben groß, aber das Ziel war klar, also weiter.
Als erstes überraschte uns die Ostseite des Lusterfjords. Wie ein Wohnmobil auf diese Straße passt war uns rätselhaft und den Fahrern des ersten, das erste entgegenkam offensichtlich auch. In ihrem verzweifelten Blick zeigte sich eine kurze Erleichterung, als wir gut 200 Meter zurück setzen um sie vorbei zu lassen. Am Fjord wird die Straße durch ein winziges Mäuerchen vom Wasser getrennt und auf der rechten Seite ragen farnbewachsenen Felsen zum Teil über die Fahrbahn. Die Wasserfalldichte ist hier noch höher als am Sognefjord und zwischen Straße und Fels gibt es einen tiefen Graben mit Tunneln, die das Wasser in den Fjord führen.
Wie überall gibt es hier viele unbefestigte Tunnel, hier sind sie aber weder belüftet noch beleuchtet und noch höhlenartiger als anderswo. Wir rechneten in jedem mit einer Trollbegegnung. Das Rauschen bildet eine ständige Geräuschkulisse, mal lauter, mal leiser. Je nach Beschaffenheit hat sich das Wasser an manchen Stellen flache breite Stufen in den Fels gewaschen, an anderen Gräben und Löcher.
Ich fing an mich zu fragen, wo die Wasserfälle herkommen, wie sieht es da oben aus. Bald sollte es darauf Antworten geben.
Am Ende des Lusterfjords gelangten wir auf die Passstraße nach Lom. In kurzen Serpentinen klettert die Straße steil an einem engen tiefen Tal hinauf. Wasserfälle, Farn und einzelne Bauernhöfe und Mühlen stapeln sich darin übereinander, mal wieder fast etwas zu kitschig und eigentlich zu schön für den Blick nur im Vorbeifahren. Ein klares Ziel für den nächsten Besuch aber jetzt – Lofoten voraus.
Bald waren wir oben, die Landschaft wurde karg und das Wetter stürmisch, ein einzelnes Schaf suchte Schutz hinter einem Stromkasten. Unter uns und um uns herum ragten die schneebedeckten Gipfel des Jotunheim Nationalpark in den Nebel, dazwischen dunkle Moore.
Wir erreichten die erste Schranke, im Juni natürlich offen, aber im Winter geht es hier nur in Kolonne mit dem Schneepflug und entsprechender Ausrüstung weiter.
Hierher also kommen die zahllosen Wasserfälle. So weit das Auge reicht erstrecken sich auf dem Felsplateau blaue Eisseen. In die Oberflächen sind schon große Löcher getaut, aber der größte Teil ist noch gefroren. Am Straßenrand kann man sehen, wie tief der Schnee noch immer ist, denn die Straße ist einfach nur ausgefräst. Meistens ist es vielleicht noch ein Meter, manchmal auch nur ein halber, an einigen Stellen reicht der Schnee jedoch bis weit über unser Auto.
In der Nähe einer Berghütte entdeckten wir einen einsamen Skifahrer. Mitte Juni, warum nicht. Dann ging es wieder nach unten, durch karge Moorlandschaft mit seicht plätschernden Bächlein, Moos und Sträuchern, dazwischen einsame Hütten auf kleinen Inseln.
Hinter Lom fanden wir uns in endlosen Wiesen mit einsamen Bauernhöfen. Der Straßenname hatte sich die ganze Fahrt über nicht geändert, Sognefjellsvegen, und die Hausnummern waren mittlerweile bei 4000 angelangt. Durch die Wiesen schlängelt sich die Otta, an deren Ufer wir schließlich ein Plätzchen für die Nacht fanden.
Bis Trondheim wurde es am nächsten Tag urbaner und es gab mehr Industrie als Landschaft zu sehen. Am Campingplatz lagen die meisten Gäste noch in der Sonne als wir aufbrachen, weiter nördlich war der Tag völlig verregnet, perfekt um einfach nur weiter zu fahren, bis wir am Abend an einem wilden felsigen Fluss im Sveningendal ankamen.
Herausforderung des Tages, einen Platz für das Auto zu finden von dem wir morgen früh auch wieder weg kommen und beim aussteigen nicht knöcheltief im Matsch stehen. Unter die Kofferraumklappe passen genau zwei Campingstühle, das war zum Glück schon erprobt. So saßen wir noch etwas am Fluss zwischen den wolkenverhangenen Bergen.
Am Morgen hatte der Regen aufgehört und es war nicht mehr weit zum Polarkreis. Durch unglaublich dichte Nadelwälder in allen denkbaren Grüntönen ging es an dem breiten wilden Fluss entlang immer weiter nach Norden. Immer wieder gibt der Fluss einen spektakulären Wasserfall zum besten und bald ging es wieder nach oben ins verschneite Gebirge, wo am kärgsten Punkt der Polarkreis die E6 kreuzt. Zwischen einer Flut aus Wohnmobilen, die sich kaum von der winterlichen Landschaft abheben, hielten auch wir um die Überquerung zu würdigen. Eine Steinsäule und eine Skulptur markieren die Linie, auf der der Breitengrad durch das Infocenter verläuft. Ab heute Abend müssen wir also ohne romantischen Sonnenuntergang zurecht kommen.
Nördlich des Polarkreises erstreckt sich ein endloses Plateau mit Moorlandschaft und kleinen Schmelzbächen. Hier und da gibt es ganz kleine, ganz einsame Häuser, die sich farblich kaum von der Landschaft abheben. Zwei Rentiere tranken an einem See neben der Straße. Mitten durch das endlose Nirgendwo verläuft eine Bahnstrecke.
Nun ging es sehr weit sehr sehr geradeaus, durch Wälder und über Berge bis zum völlig zerfransten Skjerstadfjord, an dessen Ufern sich saftig grüne Nadelwälder und Birkenwäldchen abwechseln. Hier versteckte sich ein riesiger Elch im Gestrüpp.
Endlich waren wir so gut wie da, auf einer Höhe mit dem Südzipfel der Lofoten, und stellten fest, dass die Fähre von Bodo für heute schon ausgebucht war. Risiko? Nein, einfach weiter, Fähren gibt es in diesem Land schließlich genug. Morgen früh von Bognes? Eine gute Wahl! Nach einer Kurve am Berg, gaben die Wälder kurz vor Bognes den Blick auf die zerklüfteten Gipfel der Lofoten frei und ein winziger Campingplatz zwischen Strand, Felsklippen und Blumenwiesen warte auf uns, mit genau dieser atemberaubenden Aussicht und riesiger Vorfreude.
Morgen, morgen, …