
Triest – die Perfektionierung des Aperitivo
2018 standen wir auf der Stadtmauer von Piran in Slowenien und sahen in der Ferne das italienische Triest. Aber kann man auch Piran von Triest aus sehen? Nach Triest muss man überhaupt erstmal kommen. Zu Hause starteten wir mit der Überlegung, ob wir auf der Fahrt durch Österreich Mitte April wohl noch Winterreifen brauchen. Die kurze Antwort lautet “ja” und Schneeketten angeblich auch.
Und hier die lange Antwort:
Die Anreise über Slowenien sollte 20 Minuten kürzer sein, aber für 20 Minuten noch eine weitere Vignette kaufen, aufkleben, abkribbeln? Neee, wir nehmen den kleinen Umweg. Nach der unerwarteten Maut für den Tauerntunnel blieben von der Vignettenersparnis noch 2 Euro übrig. Wir erfreuen uns am abgesagten Reifenwechseltermin, denn eine dünne Schneedecke lag schon über dem Pass und es begann stärker zu schneien.
Naja, es wird sicher bald wärmer, nur noch ein Pass, dann sind wir in Italien. Die Schneedecke wurde dicker und wir hatten in den Serpentinen des Plöckenpass ganz schön zu kämpfen, blieben mehrere Male stecken, schafften es aber schließlich bis fast nach oben. Entgegenkommende Leute meinten, es sei nicht mehr weit, noch zwei Steigungen, dann seid ihr drüber. Die letzte packten wir nicht mehr, das unberührte Weiß vor uns war mittlerweile gut 10 cm hoch, da halfen auch die Winterreifen nichts. Die Steigungen auf dem Rückweg hoch zu kommen, war jedoch genauso aussichtslos.
Bevor wir in Panik verfallen, erstmal fragen, ob noch ein Schneepflug kommt. Der ADAC gab uns die Nummer von der Polizei und die hielt uns eine endlos lange Standpauke. Der Pass sei ja seit 11 Uhr 27 zu, ohne Schneeketten machen Sie sich strafbar, irgendwo hätte jemand ein Schild aufgestellt, 1 Meter mal 1 Meter. Ob noch ein Schneepflug käme, wüsste er nicht, vielleicht würde uns später nochmal jemand anrufen, dann legte er auf. Wenig hilfreich. Dann rief tatsächlich ein ander Polizist an, seit 11 Uhr 27 zu, Schild, 1 Meter mal 1 Meter, ob noch ein Schneepflug käme, wüsste er nicht, Schneeketten, strafbar, umkehren, 11 Uhr 27,… wenig hilfreich.
Dann ein Lichtblick, wilde Blinklichter hinter uns, der Schneepflug. Ich legte auf. HInter dem Schneepflug, eine lange Schlange optimistisch Sommerbereifter. Der Schneepflug war das einzige Fahrzeug am ganzen Pass mit Schneeketten. Wir könnten mit hoch fahren, aber ob die italienische Seite heute noch geräumt würde, sei Glückssache, denn mittlerweile war es schon recht spät. Wir fuhren auf dem geräumten Pass in den nächsten Ort zurück und mussten uns beeilen, bevor alles wieder eingeschneit war. So gingen die noch 2 Euro Vignettenersparnis zusammen mit hundert weiteren für ein Hotelzimmer drauf.
Nächster Versuch am Morgen, jetzt entdeckten wir das Schild, auf dem nun “frei” stand, waren uns aber ziemlich sicher, dass an dieser Stelle gestern Abend der Straßenrand komplett eingeschneit war, inklusive Schild.
Die verschneite Landschaft war traumhaft, aber wir waren froh, am Abend nicht die italienische Seite erreicht zu haben, hier lag der Schnee noch höher und oben grub ein kleiner Bagger das Kassenhäuschen eines Museums aus. Die Straße ist steiler und der Straßenrand fällt ziemlich direkt ab.
Gegen Mittag erreichten wir Triest und gönnten uns dort erstmal die leckerste Pizza seit langem, mit einem obligatorischen Glas Wein, bevor wir die Stadt erkundeten. Triest ist die Hauptstadt des Kaffees, nur wenige Schritte braucht es von einem schnellen Espresso an der Theke zum nächsten. Die schicken Kaffeehäuser aus der Zeit, als die Stadt zu Österreich gehörte, tun ihr Übriges. Das ein oder andere wurde jedoch auch etwas zweckentfremdet und eher den italienischen Bedürfnissen angepasst, doch dazu am Abend.
Die hübsche Fußgängerzone geht direkt in das noch hübschere Viertel am Canale Grande über, in Triest ist ein Gebäude schöner als das andere. Der Kanal mündet direkt ins Meer und von hier reihen sich noch schönere Gebäude bis zum Piazza dell’Unità d’Italia aneinander.
Unser erster Tag war etwas verregnet, deshalb beschlossen wir am Abend in die Oper zu gehen. Im Opernhaus Giuseppe Verdi geht es ohne großes Schicki Mickie zu, kein sehen und gesehen werden, einfach nur ein schöner Saal und eine schöne Aufführung. Wir sahen Orfeus und Eurydike in einer tollen, aber etwas verwirrenden Interpretation. Die Hauptrollen teilten sich ein Balletttänzer- und ein Sängerpaar und wir brauchten eine Weile, um zu verstehen, dass die vier Personen auf der Bühne nur zwei darstellen sollten. Wir Opernbanausen.
Allgemein wird behauptet, um Triest zu besuchen, reiche ein Tag. Uns nicht. Ja, es gibt hier nicht viele klassische Sehenswürdigkeiten, aber die Stadt ist wunderbar geeignet, um sich treiben zu lassen und überall gibt es etwas Schönes zu entdecken, Gebäude, Leckereien, Geschichten, einen Kaffee an der Theke. Am Berg winden sich enge Gässchen kreuz und quer und wir konnten uns kaum orientieren. Nach unten zum Meer hin werden die Straßen breiter und gradliniger, und die Stadt öffnet sich in Plätzen und breiten Straßen zum Wasser. Wahrscheinlich ist diese Struktur der Landschaft geschuldet, in der sie gebaut wurde, doch es wirkt geplant und beeindruckend. Triest ist wohl eine der schönsten italienischen Städte.
Am Hafen gibt es einen langen Steg, ein traumhafter Ort, um sich im Anblick der Stadt zu verlieren. Einen anderen Aussichtspunkt erreichten wir mit einem Parkhausaufzug. Vom Glockenturm auf dem Hügel von San Giusto konnten wir die ganze Stadt überblicken. Von Piran allerdings keine Spur.
Auch James Joyce hatte es lange Zeit nach Triest verschlagen, wir begegneten ihm am Canale Grande und im Svevo Museum.
Die besten Leckereien fanden wir in der Bonboniere, eine alte Konditorei mit winzigem Verkaufsraum, in dem irgendwie noch winzige Tische Platz finden, an denen man schnell im stehen ein winziges aber unglaublich mächtiges Stück Kuchen verputzen kann. Und das, obwohl wir noch Platz für die hier übermäßig zelebrierte Zwischenmahlzeit Aperitivo brauchten.
Was also machen die Triester mit ihren Kaffeehäusern? Ja, man kann nachmittags auch Kuchen darin essen, aber wie im Caffé degli Specci geht es hier hauptsächlich um Aperitivo. Was anderenorts je nach Tagesform auch einfach als Getränk zwischen Feierabend und Abendessen interpretiert werden kann, ist hier in jedem Falle eine Mahlzeit, denn die Häppchen sind obligatorisch und kostenlos. Ungefragt bekommt man in dieser Stadt zu jedem Getränk einen Teller mit Snacks, das kann ein Stück Pizza sein, oder kleine belegte Brote, immer dabei ist ein riesiges Glas Chips. Man muss mit dem Aperitivo auch nicht bis zum Abend warten, mindestens am Wochenende geht das schon ab Mittags.
An der Piazza dell’Unità d’Italia ist jedenfalls der beste Platz, Blick aufs Meer, am Abend ein herrlicher Sonnenuntergang und mit etwas Glück gibt es noch eine Stepptanzeinlage dazu. Außerdem lernten wir eine wichtige Regel, nach Ostern sitzt man draußen, unabhängig von Temperatur und Wetter.
Aber wo ist nun Piran? Am Stadtrand liegt das Castello Miramare und ragt so weit ins Meer, dass man von hier aus weit die Küste entlang sehen kann, bis nach Slowenien und dem Zipfel mit dem Küstenstädtchen. Das Schlösschen ist von einem riesigen, duftenden Park umgeben, der in einen botanischen Garten übergeht. Eine umlaufende Terrasse sichert den Panoramablick aufs Meer. Zeit für einen Kaffee im Garten.
Noch etwas weiter außerhalb befindet sich der kurze Rilke Wanderweg, mit ebenso schönen Ausblicken und einem letzten Blick auf Triest, bevor wir weiterfahren.