Tokyo – Shinjuku und Koenji – Roboter im Rotlichtviertel, Autoscooter auf dem Teich

Tokyo – Shinjuku und Koenji – Roboter im Rotlichtviertel, Autoscooter auf dem Teich

Shinjuku ist für japanische Verhältnisse etwas schmuddelig, hier und da liegt sogar vereinzelt Müll herum. Hauptsächlich leben hier Koreaner und in den kleinen Gassen und HInterhöfen, an denen wir auf dem Weg zum Hotel vorbei kamen, gibt es viele koreanische Restaurants. Wir hatten ein Zimmer im APA Hotel reserviert und beeilten uns, dort hin zu kommen, denn es zogen dunkle Gewitterwolken auf. Schnell rein, doch an der Rezeption wurden wir verwundert angeguckt und man sagte uns, dass wir keine Reservierung hätten. Mit der Information, dass es schräg gegenüber ein weiteres APA Hotel gibt, das exakt genauso aussieht und mit dem hier überhaupt nichts zu tun hat, ließ man sich ganz schön lange Zeit. Dann also schnell noch über die Straße, vor dem ersten Schauer. 

In unserem Hotel gibt es einen Self-Check-In mit Monitoren, dabei wurde aber jeder einzelne Buttondruck von einem Hotelmitarbeiter betreut. Unser Zimmer liegt im zehnten Stock und der hat, wie auch alle anderen Stockwerke, keinen Flur, sondern nur Brücken von den Zimmern zu den Aufzügen. Vom Fenster sehen wir das überdimensionale Rathaus, das aussieht wie ein alter europäischer Rathausturm, nur in 400 Meter hoch und vor allem nachts können wir uns an der bunt beleuchteten Stadt aus dem Fenster kaum sattsehen. 

Normalerweise ist die Stadt in der wir eine Reise angefangen haben ein guter Ort, um diese auch langsam ausklingen zu lassen. Nochmal das Erlebte reflektieren, durch die Lieblingsgerichte futtern und vielleicht noch den ein oder anderen Ort besuchen, der erst Unterwegs unser Interesse geweckt hat. Aber hier ist es Tokyo und in jedem neuen Viertel geht die Aufregung von vorn los. 

Am Abend wollten wir ins Robotrestaurant und der Weg dort hin führt mitten durchs Rotlichtviertel Kabukicho, das so heißt, weil hier eigentlich mal ein Theater gebaut werden sollte, das es aber letztlich nie gab. Die schmalen Gassen sind bunt, voll und laut und damit das Robotrestaurant trotzdem von keinem Touristen übersehen werden kann, setzt es auf bunt und laut mit einer schrill grellen Neon Schrift und lauter, schriller Musik noch eins drauf. Am Ticketschalter arbeiteten fünf Personen. Einer fragte ob wir eine Reservierung hätten, der zweite ordnete uns anhand unserer Antwort in eine Schlang ein, an dessen Ende uns ein dritter nach der Reservierungsnummer fragte und ein vierter unsere Tickets ausdruckte. Der fünfte nahm unser Geld entgegen und schob es in einen Automaten, aus dem das Wechselgeld passen raus kam. Es überrascht uns immer wieder, wie eine Gesellschaft, aus der Roboter nicht wegzudenken sind, so sehr an manueller Arbeit festhalten kann. 

Am Eingang steuern zwei riesige Frauenfiguren zwei Roboter, auf denen man für ein Foto Platz nehmen kann. Zwischen den beiden hindurch geht es durch ein psychedelisches Treppenhaus nach unten in den Keller. Eigentlich ist das Treppenhaus eher ein Labyrinth aus leuchtenden Farben, alles blinkt in einheitlich wechselnden Pink- , Grün- und Blautönen, und Wände, Stufen und Decken sind mit den verrücktesten Mustern verziert. Nach einigen Stockwerken wussten wir kaum noch wo oben und unten ist. In den Ecken und an den Wänden hängen bunte Echsen, Totenköpfe und andere Figuren. Unten angekommen, fragten wir uns welche Drogen man uns ins Begrüßungsgetränk gemogelt hatte und irrten verwirrt und aufgeregt zu unserem Platz. 

Dann öffnete sich rechts von uns schwungvoll ein großes Tor aus dem eine Parade aus bunten Tänzern und Trommlern strömte. Im Anschluss wurde eine Kette vor das Publikum gespannt und gezeigt, wie weit an sich höchstens noch nach vorn lehnen durfte, denn nun kamen die großen Darsteller. Auf die jeweils gegenüberliegenden Wände wurde eine Geschichte projiziert, wie friedlich im Dschungel lebende Japaner von Robotern angegriffen wurden. Tor auf – und der Kampf zwischen Robotern und Leuten auf riesigen Pandas fand auf dem Gang statt. Immer wieder donnerte das riesige Tor auf und die nächste Attraktion kam herein, die Kostüme wurden immer bunter und verrückter, Federn, Plüsch, und immer schriller und irgendwann wurden noch Leuchtstäbe an das Publikum verteilt wärend riesige Tierroboter im Gang miteinander kämpften. Es folgte ein Tanz von schwarz gekleideten Menschen mit Lichtschläuchen, begleitet von einer Lasershow. Zum Abschluss gab es eine total verrückte Parade, die fast schon etwas gruselig war, ein irrer Clown mit leuchtenden Augen auf einem Ball, Puppen und Roboter strömten in den Gang. 

Dann wurde ein Schild hochgehalten, dass wir jetzt sofort gehen sollten, ohne irgendwo stehen zu bleiben, denn die nächste Show geht gleich los. Völlig verwirrt und verstört wurden wir also mit den anderen Gästen auf die bunten schrillen Straßen Shinjukus gespült und irrten erstmal ein paar Minuten ziellos durch die Gassen, bis wir die Show verarbeitet hatten. Bald kamen wir in Richtung einer Hauptstraße, wo die Gassen wieder breiter und die Videoleinwände an den Hochhäusern mehr wurden. Hier sieht Tokyo so aus, wie wir uns Tokyo vorgestellt hatten. Wir suchten eine Bar, fanden aber die vielen Kellerbars, in die wir lautstark eingeladen wurden, heute nicht ansprechend. Wir wollten etwas kleines, ruhigeres. In die vielen winzigen Bars trauten wir uns allerdings erst nicht, die sahen zu sehr nach nur Stammgästen aus.

Schließlich winkte uns jemand von einem Tresen aus einem Raum von der Größe einer Abstellkammer und rief uns “welcome” zu. Von den fünf Plätzen am Tresen waren noch genau zwei frei und trotz der Winzigkeit des Ladens, gab es auch hier die obligatorische Tischgebühr, heute ein Glas mit Currywurststückchen. Später kam ein Gast der Sushi bestellte, und der Barkeeper wickelte sich ein Tuch um die Stirn und holte schwungvoll einen Oktopus unter dem Tresen hervor. Wir tranken Sake im Holzkästchen und stellten fest, dass es auch hier hauptsächlich Stammgäste gab. Immer wenn jemand rein kam, wurde zuerst in die Runde gefragt, wer wir sind und der Mann, der uns reingewunken hatte, antwortete, dass wir Deutsche sind und wies darauf hin, dass Christian Japanisch versteht, bevor der neue Gast mehr Fragen stellte. Später kamen Leute, die ihre eigenen Getränke mitbrachten und kalt stellen ließen und noch ein weiterer Gast, der ausnahmsweise Englisch sprach.                    

Am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg zum Einkaufszentrum am Bahnhof Shinjuku, entdeckten ein Hochhaus, das wie ein Jenga Turm aussieht und viele kleine Gassen mit dubiosen Geldwechselstuben und privaten Badehäusern. Dazwischen gab es aber auch niedliche Geschäfte. Kurz vor dem Bahnhof kamen wir an einem deutschen Restaurant vorbei, mit Plastikhaxen, -Bratwürsten und Plastiksauerkraut im Fenster und aus der offenen Tür dröhnte in einer Endlosschleife “Brotzeit, Brotzeit, Brotzeit ist die schönste Zeit,Brotzeit,…” Leider hatten wir keinen Hunger mehr und nach der Bar gestern Abend auch keine Lust mehr auf Bier, so entging uns leider diese Attraktion. In der Gegend war die Hölle los, ganz Tokyo scheint Sonntags auf den Beinen. 

Hitze und Trubel wurden uns bald zu viel und wir fuhren etwas raus, nach Koenji und suchten uns einen schattigen Park. Vom Bahnhof folgten wir dem Menschenstrom, der auch hier einem Volksfest glich und erreichten schließlich einen langen See mit schattigem Ufer und Bootsverleih. Überall gab es kleine Stände mit Snacks und Krimskrams und auf jedem Fleck am Ufer saßen Menschen auf Picknickdecken. Auf dem kleinen Gewässer waren so viele Tret- und Ruderboote unterwegs, dass der See einem Autoscooter glich. Ständig stießen die Boote zusammen und auf der niedlichen Brücke in der Mitte stand schon eine lange Schlange fürs nächste Boot an. Die Wartezeit betrug mehrere Stunden, also holten wir uns nur einen grünen Tee am Automaten und sahen uns das Spektakel lieber weiter vom Ufer an. Auf der Bootfreien Seite des Parks lief Musik aus versteckten Lautsprechern und wir entdeckten einen hübschen kleinen Schrein auf einer Insel. Direkt am Ufer fanden wir ein Café, in dem wir ein leckeres Shaved Ice in  Regenbogenfarben bekamen.

Später flanierten wir noch etwas durch die Gassen von Koenji, die ebenso voll mit Menschen waren wie der Rest der Stadt. Verkehrspolizisten liefen vor einem Bus her und versuchten verzweifelt, die Menschenmassen zum Straßenrand zu locken, damit der Bus durchfahren konnte. Ein aussichtsloses Unterfangen.   

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