Tirana und Koman – Bektaschi und ein Stausee tief in den Bergen

Tirana und Koman – Bektaschi und ein Stausee tief in den Bergen

Bald tauschten wir das gemütliche Hotelzimmer doch wieder gegen das Auto und suchten die nächsten Reiseziele nach Rückwegtauglichkeit aus. Tschüß, gemütliches Bett und immer freies Badezimmer. Einen Ort in Tirana wollten wir aber unbedingt noch besuchen, das Bektaschi Center. Schon in den ersten Tagen in Albanien, haben wir von dieser speziellen muslimischen Religion erfahren, angeblich erfunden, weil die Anhänger gern trinken und Schweinefleisch essen. Im Center erfuhren wir, dass wir bereits vor Jahren die Mumie eines hochrangigen Bektaschi in Bosnien besucht hatten, Aha. 

Zum Glück war Sonntag und das Grusellevel im Verkehr etwas niedriger als sonst, denn wir mussten erstmal in ein abgelegenes Wohngebiet am anderen Ende der Stadt. Dort fanden wir eine Mauer, und zwar an allen Seiten des angeblichen Geländes. Google Maps wusste dazu auch nicht mehr, diesen Besuch muss man schon wirklich wollen. 

Nach hartnäckiger, neugieriger Suche, fanden wir aber doch noch, am Ende einer schmalen Sackgasse, das unscheinbare Eingangstor zu dem bunten Gelände. 

Beim Pförtner mussten wir unsere Pässe abgeben und Kerzen kaufen, dann wies er uns den Weg zur Moschee. Die Anlage ist riesig und voll mit leuchtend-bunten Gebäuden und Mosaikböden. Rings herum liegt ein kleiner Olivenhain, darunter diese unüberwindbare Mauer und in der Ferne sieht man die Hochhäuser der Stadt im Tal. 

Die grüne Moschee ist recht neu und besteht größtenteils aus riesigen Fenstern mit bunten Verzierungen darüber. Sie war verschlossen, aber ein Mann, der gerade eine Reisegruppe herumführte entdeckte uns und ließ uns rein. Was für ein Glück, wir durften mit der Gruppe auch mit ins Museum in den Keller. Dicken Teppich gibt es nicht, dafür Stühle und zu unserer Verwunderung durften wir die Schuhe anlassen. Im Museum entdeckten wir zwischen anderen Geschenken ein Stück Berliner Mauer.

Nebenan liegen drei Mausoleen, jetzt doch mit dickem, weichen Teppich und als wir sie von außen neugierig beäugten, kam der Hausmeister, zeigte auf seine Schuhe und gestikulierte uns, dass wir rein dürften. Wie Möbel in einem Wohnzimmer, stehen die Särge einfach in der Mitte. Die weißen Wände sind mit Schrift und Blumenmustern überzogen und die Kuppel ist zur Hälfte niedriger, sodass über einen schmalen Zwischenraum Sonnenlicht von oben einfällt. 

Wir waren fasziniert von den vielen Farben und Mustern überall und zündeten schließlich noch unsere Kerzen in einem Schrein an. Anscheinend standen die aber zu unordentlich, als wir uns entfernten, räumte der Hausmeister erstmal hinter uns auf.

Nun raus aus der Stadt. Der Komanstausee sollte unser letztes albanisches Ziel sein. Erstes Abenteuer, die Anreise. Kurz hinter Skodra hörte die Autobahn auf und wir fuhren durch völlig zugewucherte Feldwege, fest in Hühnerhand, ab und zu kamen wir an einem kleinen Bauernhaus vorbei. So eine abgelegene Gegend, da sind wir sicher bald da. 

Haha, wie abgelegen der Stausee wirklich ist, erfuhren wir erst zwei Sunden später. Wir hatten langsam Hunger und brauchten noch Bargeld, waren aber angeblich an den letzten Gelegenheiten schon vorbei, obwohl noch über eine Stunde Fahrt vor uns lag. Kein Risiko, wir fuhren lieber nochmal einen Kilometer zurück und das war schlau. 

Bald nach dem Essen erreichten wir den letzten offensichtlich besiedelten Ort und tauchten dahinter in eine Märchenwelt aus Seen, Bergen und Schluchten und den Albtraum für jeden Autofahrer ein. Nur die zahllosen Stromleitungen zeigten uns noch, dass wir vermutlich wirklich auf dem Weg zu einem Kraftwerk waren. Die Straße führte an zerbröselten Abhängen entlang und über wenig vertrauenswürdige, halb verfallene Brücken. Wo größere Teil der Straße weggebrochen waren, gab es Markierungen mit weißen Steinbrocken. Manchmal erlaubten sich die Albaner einen Spaß mit uns, schürten Hoffnungen und hatten ein winziges Straßenstück geteert, mal 50 oder sogar 100 Meter, bis hinter der nächsten Kurve, gerade genug um Gas zu geben und erschrocken wieder auf Schrittgeschwindigkeit runter zu bremsen, Überraschung, Schlagloch. Ab und zu kam uns ein Camper entgegen, oft mit entsetzten Fahrern, die wohl mit der Fähre von der anderen Seite hier gelandet waren und sich fragten, ob diese Straße wirklich irgendwo hin führt. Der Ausblick über die fjordartigen Landschaften, mit Tälern, Seen und Fluss entschädigte allerdings sehr. Außerdem tauchten immer wieder aus dem Nichts einzelne Menschen oder Esel aus den Bergen auf, irgendwo muss es hier Dörfer geben. 

So genau wussten wir noch nicht, was wir hier machen wollten, wir hatten ja spätestens in Vlore gelernt, fahrt erstmal hin und redet mit Leuten. Weit oben hielten uns zwei Männer aus einem entgegenkommenden Auto an. Ob wir mit der Fähre fahren wollten? Sie würden auf der Fähre arbeiten und da sei nur wenig Platz für Autos, wir sollten früh kommen und sie würden uns mal ihre Telefonnummer geben, damit wir einen Platz reservieren könnten. Unsere Gedanken dazu überraschten uns selbst. In den meisten anderen Ländern hätten wir dort vermutlich nie angerufen. Aber nach drei Wochen Albanien dachten wir nur, die haben uns ihre Nummer gegeben, damit wir eine gute Zeit haben und nicht enttäuscht sind, wenn die Fähre voll ist. Wir hatten das völlig anders erwartet, aber der Tourismus hat die Leute hier noch längst nicht so erwischt, dass man irgendjemandem misstrauen müsste.  

Dennoch entschieden wir uns später gegen die Fähre, weil wir keine Zeit und Versicherung für die Rückfahrt über den Kosovo hatten, sahen die beiden aber am nächsten Nachmittag tatsächlich im Hafen auf der Fähre arbeiten.

Nach weiterem, endlosen Schlaglochgeschüttel hielt uns wieder jemand an, diesmal vom Straßenrand. Bootsfahrt? Campingplatz? Ja, Campingplatz klingt erstmal gut. Den teilten wir uns diese Nacht nur noch mit einem albanischen Pärchen und die zugehörige Bar mit zahllosen Arbeitern vom Kraftwerk, bis ein Bus angeschaukelt kam und das Feierabendbier beendete. Irgendwo leben hier sehr viele Menschen, versteckt in den unübersichtlichen Bergen. An der Hauptstraße war immer was los, aber wir wurden einfach nicht schlau daraus, wo die Leute herkamen oder hin gingen. Wenig später verschwanden auch schon die die umliegenden Gipfel in völliger Dunkelheit und tauchten erst am nächsten morgen wieder nach und nach aus dem Nebel auf.

Wir entschieden uns für die Bootsfahrt. Super, meinte der Campingplatzbetreiber und drückte uns die Tickets in die Hand. Wir sollten morgens um 9 in der Bar sein, er fährt uns runter, dann müssen wir keinen Parkplatz suchen.

Wenige Kilometer weiter endete die Straße in einem feuchten, höhlenartigen Tunnel, hier ließ er das Auto einfach mittendrin stehen, und brachte uns zu einem Boot. Der Hafen ist eigentlich nur ein kleines Felsplateau am anderen Tunnelende, mit völligem Chaos. Autos stehen kreuz und quer, hier die Fähre, da die Touri Boote und überall Gewusel. Dahinter die riesige Staumauer, davor die schönste Landschaft, die man sich vorstellen kann.

50 km schlängelt sich der tiefblaue, aufgestaute Fluss durch die Berge, immer wieder schiebt sich ein Gipfel vor den anderen und erweckt den Eindruck, der See sei zu Ende, doch nach wenigen Metern taucht schon die nächste spektakuläre Felsformation hoch oben über uns auf. Dazwischen schieben sich vereinzelte Häuser, Wälder und Weiden ins Bild. Hier und da öffnet sich ein geheimnisvolles Seitental oder ein Wasserfall donnert in die Tiefe. Eine Landschaft so schön, dass ich Gänsehaut bekam. Zwei Stunde reihte sich Aussicht an Aussicht und es hätte ewig so weiter gehen können. 

Dann bogen wir in eins der Täler auf den Shalafluss ab. Das Tal ist enger als der See, der Fluss leuchtend türkis und die Berge sind noch höher und fallen in steilen Wänden ab, Wahnsinn. Ein einsames Häuschen klammert sich mitten drin auf einen Felsvorsprung und manchmal gibt es kleine Höhlen am Ufer. Auf einer Kiesbank mussten wir das Boot wechseln, in einer verbeulten Belchschüssel ging es auf dem immer flacher werdenden Fluss durch die wildesten Strömungen weiter, in ein verstecktes Dorf am Waldrand. Das Seil einer Fähre kreuzte den Fluss, hier wurde das Boot festgebunden und wir durften an einer steilen Treppe aussteigen.

Über dem Fluss gab es eine Aussichtsterrasse und ein Restaurant mit leckerem Fisch. An dem Fährseil war ein anderes verbeultes Boot festgemacht und man musste nur rufen oder am anderen Ufer rumstehen, bis jemand kam, um die Fähre rüber auf die große Kiesbank am Wald zu bringen. Wir genossen einfach die Aussicht und diesen traumhaften Fluss, bevor es genauso abenteuerlich und beeindruckend wieder zurückging. 

      

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