Tirana – Pyramide, Gotteshäuser und Bunker

Tirana – Pyramide, Gotteshäuser und Bunker

Das war eine Überraschung. Erst waren wir skeptisch, lohnt es sich, hier anzuhalten? Im Vorbeifahren sahen wir nur hässliche alte Betonblocks und Tirana wirkte aus der Ferne ziemlich trostlos. Aber es gibt auch Gerüchte, Tirana sei schön. Also suchten wir uns ein Hotel im Stadtentrum und schauten uns die Hauptstadt an. Oje, ins Zentrum muss mal erstmal kommen. Die schmalen, belebten Straßen wirkten trotz der teils sehr sanierungsbedürftigen Betonblocks, die das Stadtbild prägen, einladend auf uns. Der Verkehr hingegen abschreckend. Eine mehrspurige Straße führte uns zum ersten Gruselkreisel. Einfahrt in die vierspurige Blechlawine geschafft, Ausfahrt aus der korrekten der unzähligen Abzweigungen nicht. Nochmal rum, jetzt raus. Die nächste Straße war eine dreispurige Einbahnstraße, eine Spur zum rechts abbiegen, eine in der Mitte, um darauf zu machen worauf man Lust hat, fahren, parken, hupen und eine ganz links um geradeaus zu fahren ohne dass ein parkendes Auto im Weg steht. Links daneben führt noch ein Radweg in beide Richtungen. Ahhhhh Abfahrt verpasst, zurück zum Gruselkreisel, durch völlig verwinkelte, super schmale Gassen. 

Irgendwann erreichten wir das Hotel und waren froh, dass jemand, der das hauptberuflich macht hier den Autoschlüssel übernahm. 

Vor dem Hotel gibt es einen schönen kleinen Platz mit Springbrunnen, hier berieten wir uns bei Kaffee und Kuchen, was wir mit dem Rest des Tages anfangen wollten und beschlossen erstmal ziellos die Stadt zu erkunden. Unsere Straße führte direkt zum Skanderbergplatz, vorbei an bunten kleineren Häusern, voll mit Cafes und Läden und Graffitis. Auch hier war es wieder sehr einladend. Mit all der extrem hässlichen Bausubstanz versucht diese Stadt trotzdem schön zu sein und schafft es auch irgendwie. Wo immer es geht, wird mit viel Liebe bunte Farbe aufgetragen, eine Grünfläche angelegt und was nettes zum Sitzen gebaut. Wahnsinn, was die Albaner aus dieser Betonhölle gemacht haben.

Am Skanderbergplatz angekommen fiel uns gleich das lange Operngebäude auf. Es ist fast baugleich mit der Frankfurter Oper, nur dass auf einer Terrasse davor eine kleine, gut besuchte Ausgehmeile liegt. Dahinter liegen bunte Hochhäuser und in der Ferne das obligatorische Bergpanorama. Am frühen Abend ist auf dem Platz viel los, in der Mitte gibt es einen mobilen Bierstand und vor dem Ministerium ein Kinderkarussell. Aber hauptsächlich ist das der Durchgangspunkt zu den verschiedenen Vierteln. 

Unerwartet standen wir vor dem Eingang des Bunk Art 2, eigentlich wurde uns Bunk Art 1 empfohlen, aber was solls, wir stiegen in den stickigen Bunker hinab. In mehreren engen Gängen erzählt die bedrückende Ausstellung die Geschichte der Diktatur bis Anfang der 90er. Anfangs eher wirr, aber tiefer im Bunker erfuhren wir viel über die Entwicklung der Geheimpolizei und z.B. über die Ausbildung der Hunde und wie Wanzen versteckt wurden. In einem Raum konnte man selbst danach suchen. Andere Räume zeigten Listen mit den Namen der Opfer, Fotos, Kleidung und persönliche Gegenstände. Außerdem war der Bunker selbst sehenswert, mit Dekontaminierungsräumen und den Notfallwohnräumen des Ministers, die sogar zwei mal benutzt wurden, zuletzt beim Zerfall Jugoslawiens. In einem Raum gab es eine kleine Ausstellung mit schlecht manipulierten Fotos. Der Diktator, recht paranoid, hielt immer mal willkürlich jemanden für seinen Feind und ließ nach der Person selbst auch sämtliche Spuren, inklusive dessen Kopf auf Fotos, beseitigen.

Wieder draußen aus dem Bunker, dämmerte es schon. Zeit fürs Abendessen. Wir gingen dazu ins Basarviertel. Auf den Straßen war jetzt so viel los, dass Verkehrspolizisten die Fußgängerampeln unterstützten, weil hier sonst alles drunter und drüber geht. 

Das Basarviertel ist scheinbar das Haupttouriviertel, vollgestopft mit Souvenirshops, aber auch mit leckeren Restaurants. Aus dem stressigen Straßenverkehr stolperten wir in einen Hinterhof und von dort in Odas Garden. Zwischen alten, mit Makramee und Lichterketten geschmückten Bäumen fanden wir einen interessanten Tisch. In der Mitte hing ein dicker Ast auf Kopfhöhe und der Tisch hatte eine Lücke für den Baum. Etwas später ließ sich in der Nähe eine Band mit traditioneller Musik nieder. 

Wir hatten unterwegs so viele freilaufende Hühner gesehen, dass mich das Village Chicken auf der Karte ansprach. Ja, das hätte man sich denken können, in einem geschnitzten Holzkorb wurde uns ein ganzes, riesiges Huhn serviert. Es war lecker, hätte aber für fünf Personen gereicht. 

Auf dem Rückweg hatte sich der Verkehr etwas gelegt und der doppelköpfige Adler auf der roten Ampel genügte als Autorität, die Verkehrspolizei hatte Feierabend. Am Skanderbergplatz war mittlerweile noch mehr los und das Bier zapfte jetzt ein deutscher Tourist, der offenbar schon seit Stunden hier versackt war. 

Am nächsten Tag ging uns langsam die Kleidung aus. Neben der Uni sollte es einen Waschsalon geben, nur zehn Minuten zu Fuß, also kein Problem. Als wir mit unserer Wäsche im Hotelfoyer ankamen, ergoss sich ein Wolkenbruch auf die Straßen, alles war schon leicht unter Wasser. Aber wie lange kann so ein starker Regen schon dauern? Wir bestellten ein Taxi, das war nach einer halben Stunde immer noch nicht da und der Regen ließ langsam nach, also bestellten wir es wieder ab und machten uns doch zu Fuß auf den Weg. Durch Seitengassen und Hinterhöfe ging es zur nächsten Hauptstraße. Während wir versuchten, durch ein Labyrinth aus Pfützen und Durchgängen aus einem Hinterhof zu finden, ging nach kaum 200 Metern der Regen wieder los. Wir suchten Schutz in einer Durchfahrt und gaben schließlich irgendwann doch auf. Trockenen Fußes würden wir sowieso nicht ins Hotel zurückkommen, also weiter. Auf den mehrspurigen Straßen stand das Wasser mittlerweile so hoch, dass nur noch die mittlere, etwas höher gelegene Spur befahrbar war. Die Wäsche brauchte eigentlich nur noch Waschmittel, Wasser war schon genug drin. 

Das Wetter blieb den ganzen Tag so, überdacht war also das Hauptkriterium für den Nachmittag. Im New Bazar wollten wir Souvenirs shoppen, in dem bunt gemusterten Gebäude gab es riesige Tabakhaufen, Decken, Kissen und Teppiche. Rings herum sammeln sich kleine Bars, von denen aber nur wenige das Kriterium, überdacht, erfüllen. So zogen wir weiter zu den Bars an der Oper, von hier hatten wir einen schönen Blick auf den Platz im Sonnenuntergang.              

Der Regen beschränkte sich zum Glück auf einen Tag, am nächsten Morgen konnten wir schon wieder draußen in der Sonne frühstücken und das Treiben auf dem Platz und an der chinesischen Botschaft beobachten. Unser letzter Tag, dabei gibt es noch so viel in Tirana zu entdecken. 

Erstmal steuerten wir die Moschee am Skanderbergplatz an. Jeden Tag war sie uns mit ihrer wunderschön bemalten Fassade ins Auge gefallen. Das Gebäude ist winzig und doch so eindrucksvoll. Ich hatte extra ein Kopftuch eingepackt, hätte es aber nicht gebraucht. Erst jetzt fiel uns auf, dass in diesem muslimischen Land niemand Kopftuch trägt und auch die meisten Restaurants Alkohol servieren. Der Raki auf den Campingplätzen war meist auch obligatorisch. Über das lange Religionsverbot haben sich nicht alle Regeln erhalten. Die Moschee besteht nur aus einem kleinen Gebetsraum und einem Vorraum, dennoch hätten wir Stunden hier drin auf dem weichen Teppich bleiben und die bemalten Wände mit diesen unglaublich schönen Farben bestaunen können.

Doch es wartete noch ein anderes Gotteshaus auf uns, die Auferstehungskathedrale auf der anderen Seite des Platzes. Goldene Türen führen ins innere des noch recht neuen Gebäudes, das aussieht, wie eine Mischung aus Byzantinischer Kuppelkirche und stilisierter Blume. Daneben steht ein dürrer, hoher Glockenturm. Hässlich und dennoch schön, wie so vieles in dieser Stadt. Drin genossen wir die friedliche Ruhe zwischen zwei Reisegruppen und spazierten dann zum Wahrzeichen der Stadt. 

Die Pyramide, Brutalismus der schlimmsten Sorte, aber auch wieder irgendwie schön, oder zumindest bunt und interessant. Das Gebäude wurde von Hoxhas Kindern errichtet und sollte ein Denkmal werden, aber sowas wollte hier natürlich niemand. Jetzt ist sie ein Technologiezentrum für Jugendliche. Drin gibt es aber auch Besprechungsräume, kleine Geschäfte und Restaurants. Zur Anlage gehören bunte Betonwürfel, die auf dem Gelände verstreut liegen, als wären sie gerade herunter gefallen. Auch dort sind Cafés drin. Große Bunte Legotiere bewachen alle Eingänge.

Die Pyramide ist eigentlich gar keine Pyramide, nur vorne, der Rest besteht aus durcheinander gestapelten Betonwürfeln und im Inneren aus gestapelten Räumen. Mehrere Treppen führen nach oben zu verschiedenen Aussichtsplattformen. Von hier oben gibt es den besten Blick auf die bunt gestrichen Betonbauten. Ein Hochhaus ist so bemalt, dass es von weitem wie ein Hundertwasserhaus aussieht, ein anderes mit bunten Flecken, und es gibt einige schöne neue Hochhäuser. Die überall sichtbare Mühe, aus dieser wirklich hässlichen Grundsubstanz etwas richtig schönes zu machen, schafft die herrliche Atmosphäre der Stadt.

Vor dem nächsten Regenschauer flüchteten wir ins einzige Café ganz oben und bestaunten die Skyline bei einem Kaffee.

Nicht weit von der Pyramide liegt das Blokku Viertel, übersichtlich schachbrettartig angelegt, lebten hier die Eliten der Diktatur. An allen Einfahrten zum Viertel liegen noch die Kontrollpunkte, die heute Kioske und Grillimbisse beherbergen. Nebenan gibt es einen Park mit Denkmälern und Bunkern, Postblock, durch den vielen Beton fest in Eidechsenhand.

Blokku ist heute ein beliebtes Shopping und Ausgehviertel, mit Markenläden und teuren Restaurantketten. Im Süden liegt die Villa von Hoxha, ein großer kastenförmiger 60er Jahre Bau mit Garten. Im Erdgeschoss konnten wir einer Tanzgruppe zusehen. 

Später gingen wir zur Burg, von der aber nur noch eine Mauer steht, hinter der sich die seelenlosen Kreuzfahrttouristenhorden auf einer Meile aus Souvinirgeschäften und lieblosen, überteuerten Restaurants verstecken. Hier sind die also. Schade eigentlich, denn die Anlage ist ziemlich schön, leider aber ohne jede Atmosphäre. Draußen vor der Burgmauer ging es noch etwas interessanter zu. Hier wurden Kastanien geröstet, eine Straßenband war unterwegs und der Souvenirbus, der immer mal wo anderes stand und traditionelle Kleidung und Instrumente verkaufte.

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