
Shimabara – wo die Berge fauchen und jammern und Fische sich frei durch die Stadt bewegen
Etwas oberhalb von Obama in den Bergen liegen die Höllen von Unzen, Schwefelquellen mit Spazierwegen dazwischen. Dort hin führt die Straße durch unglaublich dichte Wälder, fast schwarz wenn man versucht hinein zu sehen und grüne Täler. Schließlich steckten wir in einem dichten, gelben, undurchsichtigen Nebel und erkannten an zwei Blinklichtern neben der Straße, dass wir scheinbar da waren. Das Auto zu parken war schwierig, wir konnten ja nichts sehen, dann drehte der Wind und trieb die Wolke vom Parkplatz weg. Die meisten anderen Besucher waren in Reisebussen gekommen, jeder Bus kam aus einem anderen Hotel, die Gruppen unterschieden sich in den Mustern ihrer Yukatas. Wir hatten normale Kleidung an, denn es war recht frisch in den Bergen, aber wir blieben auch länger. Erstmal mussten wir uns aber an den wirklich intensiven Schwefelgeruch gewöhnen.
Zusammen mit dem Parkschein bekamen wir eine Wanderkarte und erkundeten diese fremdartige und etwas gruselige Landschaft. Durch das Feld aus den von Ablagerungen und Flechten bunt verfärbten Felsen führt ein Weg aus Holzplanken. In kleinen Pfützen sprudelt überall das kochende Wasser nach oben und aus Ritzen und Spalten dringt der gelbe Schwefelnebel. Weiter oben werden die Pfützen größer und nach und nach zu blubbernden Matschseen. Früher dienten sie als Hinrichtungsstätte für Christen. Heute nutzt ein Eierverkäufer die Spalten, um uns einen Snack anzubieten.
Je weiter wir nach oben kamen, um so aggressiver wurden die Höllen. Es faucht und knurrt und jammert aus allen Ritzen und dass die Anwohner der Legende Glauben schenken, dass hier die Seelen der ermordeten Christen aus den giftig gelben Felsen rufen, verwundert uns kaum. Manchmal glaubten auch wir, Gemurmel und ganze Wörter zu hören. Zwischen den Blubbernden Gruben war es außerdem ziemlich warm.
Über einen schmalen, von blühenden Sträuchern gesäumten Weg kamen wir weiter nach oben in einen der dunklen, vermoosten Wälder, in dem es auch etwas nebelig war. Von unten hörten wir noch immer das Fauchen und Jammern. Mutig durchqueren wir das Waldstück, bis wir auf einer Lichtung mit fremdartigem Vogelgesang und einem weiten Blick über das Meer und die umliegenden Berge belohnt wurden.
Am Abend entdeckten wir in Obama ein Ringer Hut, eine Restaurantkette aus Nagasaki, die von außen aussieht wie eine Kirche aus einem Comic. Hier gab es all die Nagasakitypischen Gerichte und wir entscheiden uns für Champon, eine schleimige Nudelsuppe mit für Japan ungewöhnlich viel Gemüse.
Am nächsten Tag erkundeten wir die Insel. Auf der anderen Seite liegt das Namensgebende Städtchen Shimaraba. Die Regenzeit rückt näher und als wir ankamen schafften wir es gerade so in einen kleinen Hof zwischen den traditionellen Häusern, wo man uns in einem Teehaus hausgemachte Limonade und die typischen Reisbällchen in einer feinen, klebrigen Soße verkaufte. Von einer Bank beobachten wir den Regen im Hof, wie er in langen dicken Fäden auf einen winzigen Schrein fiel.
Als der Regen nachließ, verließen wir die idyllische Anlage durch den Hinterausgang, der auf eine ungepflasterte Straße mit einem eingemauerten Bach in der Mitte führt. Der Bach zieht sich durch die ganze Altstadt und bunte Kois tummeln sich darin. Shimabara rühmt sich damit, das klarste Wasser Japans zu haben, auch Limo und Reisbällchen waren daraus zubereitet.
An dieser Straße liegen ein paar alte Samuraihäuser, die zusammen ein kleines Freilichtmuseum sind. Die Häuser sind offen und wir waren erst nicht sicher, ob man sie einfach so betreten darf, entschieden dann aber, dass es ohne Schuhe sicher ok ist. Durch die Schiebewände des ersten Hauses entdeckten wir ein idyllisches Gärtchen, in dem es noch vom Regen tropfte. Drin sind alle Zimmer mit Tatami ausgelegt, nur die seitlich angebaute Küche hat einen Steinboden. Plastikfiguren zeigten Szenen aus dem Alltag der Familie. Möbel gibt es nur wenige, das Leben spielte sich hier auf dem Boden ab.
Es hatte wieder angefangen zu regnen und wir warteten auf der Terrasse das kurze Zeitfenster ab, um schließlich trockenen Fußes dem Bächlein weiter in Richtung Burg zu folgen. In dieser Straße sind alle Gebäude traditionelle Holzhäuser, viele mit kunstvollen Dächern. Außer den drei Museumsgebäuden sind die anderen jedoch bewohnt.
Bald tauchte die riesige weiße Burg vor uns auf, geschützt von einem breiten Graben mit einem dichten Seerosenteppich. Am Eingang begrüßte uns eine kostümierte Frau mit einem Flötenspiel. In der Burg besichtigten wir die Ausstellung mit originalen Rüstungen und Helmen, die angsteinflößend wirken sollten, für uns jedoch eher übertrieben lustig aussahen. Auf anderen Stockwerken gibt es Schwerter, Geschirr und alles, was man in einer Burg sonst noch so braucht. Die Burg selbst war von innen leider weniger sehenswert. Wie die meisten japanischen Burgen war sie ursprünglich aus Holz und ist irgendwann abgebrannt. Der Nachbau ist nun aus kahlem Beton. Von außen ist sie dennoch schön und beeindruckend, wie sie in der flachen Stadt mit den kleinen Häusern auf dem einzigen Hügel thront. Im obersten Stock gibt es außerdem einen umlaufenden Balkon mit Aussicht auf die alten Dächer der Stadt.
Wir nutzten die nächste Regenpause um weiter durch den Ort zu spazieren und kamen an einem Garten vorbei, in dem zahllose riesige Schmetterlinge unterwegs waren. Langsam zeigte sich auch die Sonne und vermittelte uns einen ersten Eindruck, wie schwül die Sommerhitze auf Kyushu ist. Die Kanäle mit den Kois darin ziehen sich durch die ganze Stadt und führten uns irgendwann zu einer Wasservilla, versteckt in einem Garten. Ein halb zugewachsener, gepflasterter Weg führt zwischen knorrigen Bäumen hindurch an dem Teich vorbei, in dem das zweistöckige Häuschen auf Stelzen steht.
Am Eingang empfing uns eine ältere Frau im Kimono und führte uns in ein Tatamizimmer, wo die geöffneten Papierwände den Blick auf den Garten freigaben. Sträucher und Blumen säumen den Teich und wie verzaubert ragen die Äste der alten Bäume darüber, am Ufer, verwitterte Steinlaternen. Ein Gecko huschte über eine vermooste Steinplatte und auch hier gibt es diese riesigen Schmetterlinge. In beruhigenden Bahnen schwimmen die Kois um den Pavilion herum oder verschwinden darunter. Eine Schale grünen Tee bekamen wir ungefragt dazu. Die nächsten Gäste wurden in das gegenüberliegende Zimmer geführt, das einen ähnlich traumhaften Ausblick hatte.
Überall in der Stadt verteilt gibt es Quellen, und Schüsseln oder Eimer dazu, aus denen wir unser Trinkwasser auffüllten.
Auf Shimabara gibt es auch einige schöne Sandstrände, wenn auch bei den Japanern garnicht so beliebt. Am nächsten Tag war es ziemlich heiß, also suchten wir uns einen aus, den mit dem nächstgelegenen Familymart. Dort wurde uns am Abend eine Clubkarte angeboten. Der breite Sandstreifen wird von einem Felsen begrenzt, daneben liegt ein Kiefernwäldchen. Ein traumhafter Strand und doch hatten wir ihn so gut wie für uns allein. Nur eine Gruppe Jugendliche kam am Nachmittag.
Später erkundeten wir die Insel noch etwas mit dem Auto, eine aussichtsreiche Fahrt, zwischen Bergen, dichten Wäldern und zerklüfteten Stränden. Hier und da gibt es ein verschlafenes Dorf.