
Shimabara – How To Onsen und Ryokan
So praktisch das Zugticket und so gut ausgebaut das Netz auch ist, alle Orte erreicht man damit nicht. Vor Nagasaki liegt die Halbinsel Shimabara und wir stürzten uns ins nächste Abenteuer. Ein Auto mieten. Die Buchung führten wir wieder mit einer abenteuerlichen Googleübersetzung durch, mal sehen, was wir damit bekommen. Dann fuhren wir nach Isahaya um das kastenförmige Fahrzeug in Empfang zu nehmen. Bei der Vermietung erklärte man uns noch mit Händen und Füßen das Navi. Wir fragten uns schon, wie umständlich es sein würde, ein Ziel mit japanischen Schriftzeichen einzugeben und freuten uns über die Lösung, statt der Adresse verwendet man einfach die Telefonnummer.
Interessant wurde es auch an der Tankstelle, hier tankt man nicht selbst sondern wird bedient und was “einmal volltanken, bitte” heißt, hatte sich Christian extra gemerkt. So weit so gut, aber dann bekamen wir noch ein feuchtes warmen Handtuch gereicht. Zwei Personen betankten das Auto und verbeugen sich bei Abfahrt, bis wir außer Sichtweite waren.
Dann ging es los, im Linksverkehr und bald wurde es richtig ländlich. An der Küste entlang ging es über schmale Serpentinen, durch Wälder und Berge und dazwischen durch kleine Dörfer mit traditionellen Häusern und diesen winzigen privaten Reisfeldern davor. Unser Ziel war ein Ryokan im Kurstädtchen Obama Unsen. Der Ort scheint wie eine andere Welt, überall qualmt und dampft es, aus Gullis, aus Schornsteinen oder Rohren, die einfach irgendwo aus der Erde ragen. Die Geräusche lassen darauf schließen, dass einige Leute sogar Dampfmaschinen im Keller betreiben. Die Fischrestaurants am Strand haben statt Küchen tiefe Löcher, in denen sie die gefüllten Töpfe versenken. In Obama dreht sich alles um die heißen Quellen.
Auch in dem traditionellen japanischen Gasthaus wurde es spannend, Erstmal wurde uns der Autoschlüssel abgenommen, wie wir später herausfanden, parkt man in Japan immer rückwärts ein und nicht wie bei uns mit dem Auspuff von der Wand weg. Daran hatten wir nicht gedacht, dass es auch beim Parken solche Besonderheiten geben könnte. So fanden wir das Auto täglich umgeparkt vor.
Wenigstens über die Gepflogenheiten eines Ryokan hatten wir uns informiert, aber auch darüber scheinbar nicht ausführlich genug. Als nächstes mussten wir die Schuhe am Eingang lassen und gegen diese winzigen Schläppchen tauschen. Erstmal nichts besonderes, aber als wir am Abend nach unten kamen, waren unsere Schuhe weg. Eigentlich hätten wir das Hotel zum Abendessen, wie in Kurorten üblich, mit dem traditionellen Bademantel in den Mustern des Hotels und den dazugehörigen Holzsandalen verlassen sollen. Aber die verfügbaren Holzsandalen waren für uns viel zu klein und wir hatten auch schon wieder normale Kleidung an. Also wurden wir an der Rezeption gefragt, wo wir denn mit den Schuhen hin wollten und wann wir zurück kommen würden. Weil jemand später die Schuhe wieder wegräumen wollte.
Nun zum Zimmer, das war ziemlich geräumig mit einem kleinen Wintergarten zum Meer hinaus, den eine Papierwand vom Rest des Zimmers trennte. Im Schrank war ordentlich das Futon verstaut und an einem Esstisch konnte man auf Stühlen ohne Beine auf dem Boden sitzen. Grüner Tee und heißes Wasser warteten zur Begrüßung. Wir zogen erstmal die bereitliegenden Yukatas an, dazu gab es ein Körbchen mit Badeutensilien und winzig kleinen Handtüchern.
Eigentlich hatten wir uns auf den eigenen kleinen Onsen im Badezimmer gefreut, mussten dann aber feststellen, dass wir uns mit den Schwefelquellen in einem so kleinen Raum nicht anfreunden konnten und diese Bad wohl nicht benutzen würden. So wartete schon das nächste Abenteuer auf uns und wir machten uns mit den Regeln eines japanischen Badehauses vertraut. Eigentlich gibt es sie überall in Japan, manche Wohnungen in Tokyo haben nicht mal ein eigenes Badezimmer und diese Bäder sind auch einfach Orte des sozialen Lebens. In Kurorten und in einem Ryokan sind sie aber sowieso die Hauptattraktion, weil sie dort aus heißen Quellen gespeist werden. Wir hätten also ohnehin was verpasst, wenn unser Bad ok gewesen wäre.
Unser Gasthaus hat zwei Onsen und noch ein Rotemburo, also ein Bad mit Leitungswasser auf dem Dach. Die Onsen werden täglich für Männer und Frauen getauscht, im Aufzug hängt ein Schild, welches man gerade besuchen kann, denn sie liegen an verschiedenen Enden des Gebäudes.
Badehaus geht also so: Im Gebäude bewegt man sich sowieso nur im Yukata, in einem Vorraum legt man den zusammen mit allem was man sonst noch so dabei hat in ein Körbchen. Ausschließlich eines der winzige Handtücher darf mit rein. Drin muss man sich als erstes gründlich waschen, schließlich teilt man das Wasser im Becken mit anderen Personen. Dafür stehen in einer Reihe Plastikhocker vor einem großen Spiegel, der von dem dichten Dunst im Raum völlig beschlagen ist. Jeder Platz hat einen Wasserhahn und eine Plastikschüssel mit der man sich mit Wasser übergießen kann. Duschbad, Shampoo und Spülung stehen in riesigen Spenderflaschen zur Verfügung. Jetzt gilt es ganz vorsichtig zu sein, denn man darf auf garkeinem Fall den sehr dicht sitzenden Nachbarn mit Wasser oder gar Shampoo bespritzen. Hier kommt auch schon das Handtuch zum Einsatz, denn es ist nicht nur zum Trocknen, sondern auch zum Waschen gedacht, darf aber keinesfalls den Platz des Nachbarn berühren oder mit dem Wasser im Onsen in Berührung kommen.
Nun geht’s ins Becken. Dazu wird erstmal das Handtuch klein zusammengefaltet und auf dem Kopf drapiert, bloß nicht fallen lassen. Dann versuchte ich mich an das heiße Wasser in dem ovalen Becken zu gewöhnen und ließ mich so lange wie möglich darin einweichen. Bald wurde mir das aber zu warm. Eine Japanerin zeigte mir eine Tür, die zu einer Art Balkon führte, der aus einem weiteren Becken bestand. Zwar war das Wasser hier genauso heiß, aber durch die kühle Nachtluft angenehmer. Außerdem hatte ich draußen einen herrlichen Ausblick auf das Meer und die dampfenden Dächer der Stadt. Langsam gewöhnte ich mich auch an das Nacktsein unter fremden Menschen und ließ mich das heiße Wasser entspannen. Komplett eingeweicht und verschrumpelt geht es dann nochmal zurück zu den Plastikhöckerchen zum Abspülen und tatsächlich, wenn man so heiß gebadet hat, kann man sich mit einen nassen Handtuch abtrocknen, alles was nicht aufgesogen wird, verdunstet einfach. Draußen im Vorraum gibt es dann Föhn und Zahnbürsten. Unvergleichlich, wie sauber man sich nach einem Besuch im Badehaus fühlt.
Am nächsten Tag war das Frauenbad im offenen Erdgeschoss, eine mit verschiedenen Kletterblumen bewachsene Felswand trennt das Becken von der Straße. Am Abend testete ich noch das Bad auf dem Dach, hier war natürlich die Aussicht am besten.
In den Bädern im Ryokan war immer viel los, aber in einer anderen Unterkunft war ich mal allein und konnte ein Foto machen. Die meisten Badehäuser sind aber wesentlich größer als dieses.
Den Yukata behält man den ganzen Tag an, so sind alle Leute im Ryokan einheitlich gekleidet. Die großen Reisegruppen, die im einheitlichen Bademantel zum Frühstück gingen waren ein seltsamer Anblick. Auch beim Frühstück mussten wir erstmal gucken, was die anderen machen. Auf einem Tischgrill sollten wir uns ein Noriblatt rösten um darin einen kleinen gegrillten Fisch einzuwickeln, aber bloß nicht zu kurz, wir wurden immer wieder ermahnt, als wir es runter nehmen wollten. Dann war es schwarz, also auch bloß nicht zu lang. Wir bekamen ein neues. Dazu gab es Reis, gesalzene Pflaume, Fischpasten, Obst und natürlich etwas Natto.
Gelegentlich hatten wir Kontakt zu einem furchtbar schüchternen Mitarbeiter, der wohl in seiner Bewerbung angegeben hatte Englisch zu sprechen. Beispielsweise wurde er zu unserem Zimmer geschickt um uns über einen anstehenden Probealarm zur informieren. Mit dem Ausdruck seiner Googleübersetzung stand er nervös vor der Tür, zitterte und schwitzte etwas, als er uns sein Anliegen mitteilen musste. Ganz anderes, die Putzfrau. Sie stand täglich im Zimmer, zerrte an unserem Bett um es täglich frisch zu beziehen, und an Christians Yukata, der auch mehrmals täglich getauscht werden sollte. Außerdem brachte sie uns mehrmals täglich einen Berg Einwegrasierer vorbei, Europäer brauchen das.
Wahrscheinlich waren wir trotz aller Bemühungen, uns korrekt zu verhalten, für diese Unterkunft eine ähnliche Herausforderung wie sie für uns. Doch wir würden es wieder tun.