Schlesien – Wanderung in Teufels Küche und jede Menge Schädel

Schlesien – Wanderung in Teufels Küche und jede Menge Schädel

Erstmal wandern, also steuerten wir einen idyllischen Campingplatz im Heuscheuergebirge, an der tschechischen Grenze, an und verbrachten den ersten Abend an einem idyllischen Teich unter den steilen Felswänden, zwischen Schaf und Pferdeweiden. 

Der Tag den wir zum wandern auserkoren hatten war natürlich heiß. Knapp 20 km sollten es werden, zurück zur Realität, wir schafften 4, aber die hatten es in sich. 

Erstmal brauchten wir aber Geld und hatten außerdem im letzten äußersten Zipfel Polens noch eine andere Sehenswürdigkeit entdeckt. Das Geld bekamen wir in Kudowa, einem wunderschönen Kurort, in dem die Zeit vor 100 Jahren stehen geblieben ist, wie auch in den idyllischen Dörfchen auf dem Weg hier her. 

Die großen alten Kurhotels, darunter alte bunte Holz- und Fachwerkhäuser, reihen sich um einen riesigen Park. Auf den geschnitzten Terrassen gibt es Kuchen und Eis und seltsam passende Familien im feinsten Sonntagszwirn. 

Ein paar Minuten Stadtauswärts steht die Schädelkapelle. 50.000 Schädel, inklusive Oberarm und -beinknochen befinden sich in dem Gebäude aus dem 30jährigen Krieg. Auf dem Friedhof war nicht genug Platz. Am Morgen hatten wir nur an die Wanderung gedacht und standen jetzt mit kurzer Hose davor, vorsichtshalber fragten wir beim Ticketkauf, ob wir so überhaupt rein dürften. Kurze Hose sei kein Problem, nur ohne Hose geht nicht. 

Mit einer Gruppe wurden wir in die kleine Kapelle geführt und die Tür hinter uns verschlossen. Ohoh. Das Innere besteht fast komplett aus Knochen, nur für zwei halb verdeckte Marienstatuen und das obligatorische Kreuz war noch Platz. Köpfe und Knochen sind an den Wänden in sauberen Reihen übereinander gestapelt, zwei Reihen Knochen, eine Schädel, dann wieder Knochen, bis unter die Decke. An der Decke hängen die Gebeine genauso dicht an Angelschnüren. Der Guide zeigte Knochenbrüche und die Folgen von Epidemien, leider nur auf Polnisch. Also verstanden wir fast nichts, hatten aber genug Zeit uns die unterschiedlichen Schädel anzusehen, große, kleine, Schiefe Kiefer, große Nasen,… Dann kam der Guide zu uns und riss vor unseren Füßen eine Falltür auf, noch mehr Knochen, ein Keller voll mit Knochen. 

Als wir die Kapelle verleißen fiel uns auf, dass sogar der Kirchturm wie ein Schädel aussieht.     

Unterwegs, an der kurvigen Straße, ragten schon überall zerpflückte Felssäulen aus dem Wald, teils mehrere hundert Meter hoch. Die Wanderung startete in Karlow, ein reiner Touriort, der hauptsächlich aus Wanderparkplätzen besteht und einem Fressmarkt, auf dem der leckere geräucherte Ziegenkäse angeboten wird. Aber Den mussten wir uns erstmal verdienen. Vom Markt aus sahen wir schon die steilen Felswände der Tafelberge, deren oberes Ende ganz zerpflückt ist, als hätte ein Riese Felsbrocken oben darauf gebröselt. 

Und wer hätte es gedacht, am Startpunkt erwartete uns eine endlose Treppe, die uns auf dieses Plateau führen sollte. Am Wegrand lagen riesigen geheimnisvolle Felsbrocken zwischen frischem grünem Gras und kleinen Kiefern und schürten unsere Erwartungen. Von einem Schattefleck zum nächsten kämpften wir uns durch die Hitze nach oben, zur Pause an einem sandigen Weg unter dem bisher größten Felsbrocken. Und dann, Proviant vergessen, nur Wasser und ein paar Kekse fanden sich im Rucksack. Das war der erste Moment, in dem wir die 20 km in Frage stellten, direkt nach dem ersten.  

Ab hier ging es mit wenig Steigung weiter, mal hoch, mal runter, über sandige Pfade, durch idyllischen Wald, Heidelbeerfelder und über kahle Felsplateaus, mit Aussicht auf spektakuläre, zerpflückte Felsen, Höhlen und Formationen. Ab und zu mussten wir uns durch schmale Spalten oder Löcher schlängeln. Der Aufstieg hatte sich gelohnt. Bald kamen wir zu einer großen Berghütte, oben auf einem flachen Plateau. Spalten ziehen sich von hier oben mehrere hundert Meter tief, bis ins Tal, zum Glück gibt es dort immer ein Geländer, denn sie sind erst sichtbar, wenn man genau davor steht. Ringsum gab es eine atemberaubende Aussicht, von der steilen Wand in das hügelige, weite Tal und ein älterer Mann wollte von uns vor jedem Winkel davon fotografiert werden.

Holzbrücken und Treppen führten uns auf der anderen Seite wieder in den Wald und zu einem Kassenhäuschen. Wir wunderten uns jetzt zu bezahlen, wir hatten doch das Beste schon gesehen. Nein, auf uns wartete noch ein 3km langes Kunstwerk der Wegführung durch die spektakulärsten Steinformationen. Unten im Wald stand sowas wie Rotkäppchen und der Wolf, gegenüber ein Stapel Enten, eine Schildkröte, ein Elefant,… dann, mit Blick aufs Tal, ein Gorilla. Einfach Wahnsinn, was die Natur hier geschaffen hat, aber genauso krass ist, wie man uns durch dieses Labyrinth führt. Zum Beispiel ging es bald hinab “in Teufels Küche” ein Fels wie eine kleine Hütte, mit orangenen Fenstern und dann über glitschige Stufen in eine gut 100 Meter tiefe, dunkle, feuchte Schlucht. Es folgen Höhlen und schmale schmale Treppen. Wir kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Schließlich quetschten wir uns noch durch den Geburtskanal, eine Felsspalte, durch die man nur auf Knien kommt, mit dem Kopf zuerst, um dann festzustellen, dass für Erwachsene wohl auch irgendwo ein Weg drum herum abgezweigt wäre. 

Nach vier Stunden waren wir wieder am Fuß der Treppe und erklärten die Tour für beendet. Was könnte eine weitere Wanderung jetzt noch bieten? Auf zu geräuchertem Käse und frischen Kartoffelchips und dann ist ja auch der Campingplatz so schön, um zwischen Schilf und Feldern zu entspannen. 

Außerdem wird auf der Terrasse über dem Campingplatz frische Forelle aus dem Teich serviert, das wollten wir uns auch nicht entgehen lassen. 

Am nächsten Tag war Regen im Gebirge, also packten wir zusammen und machten uns auf den Weg nach Breslau, durch noch mehr Orte, in denen die Zeit stehen geblieben ist. Die Landschaft blieb wunderschön, tiefe Wälder und weite Wiesen mit Mohn und Kornblumen.  

Unterwegs machten wir einen Zwischenstopp in dem kleinen Örtchen, aus dem Christians Oma stammte. Leider ohne bekannte Adresse, aber auch hier gab es noch viel Altes zu entdecken, große Bauernhöfe, mit verwilderten Gärtchen an gepflasterte Gassen. An den grauen zerbröselten Putz in dieser Gegend hatten wir uns mittlerweile gewöhnt. Auf den ersten Blick glaubt man vor einer Ruine zu stehen, bis man die weißen gebügelten Gardinen und die gepflegten Gärten entdeckt. Fassaden sind hier einfach nicht wichtig.  

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