Nagasaki – die höchste Bevölkerungsdichte der Welt, die schönste Nachtsicht des Landes und das Museum dass es besser nicht gäbe

Nagasaki – die höchste Bevölkerungsdichte der Welt, die schönste Nachtsicht des Landes und das Museum dass es besser nicht gäbe

Einer der spannendsten Orte Nagasakis liegt mitten im Meer, die Insel Hashima. Bis sie in den 70ern verlassen wurde, hatte die winzige Bergbauinsel die dichteste Besiedelung der Welt, bisher unübertroffen. 

Erstmal brauchten wir aber Tickets um auf ein Boot zu kommen. Wir hatten zwar online gebucht, aber die Übersetzung der Website mit Google ließ sehr viel Interpretationsspielraum, genauso wie die scheinbar ebenfalls mit Google übersetzte Buchungsbestätigung. Im Hafen angekommen, gab es nur eine lange Schlange, wir stellten uns an und landeten am Ende tatsächlich auf dem richtigen Boot. 

Auf der einstündigen Fahrt konnten wir einen Film über das Leben auf der Insel sehen. Unvorstellbar, auf einer Fläche von nicht mal 200*500 Metern lebten zeitweise über 5000 Menschen. Jede Familie hatte nur eine kleine Wohnung mit höchstens 20m2, Bad und Küche musste mit den Nachbarn geteilt werden. Anhand der Gesten und Gesprächen einiger älterer Leute mit ihren Enkeln, vermuteten wir, dass diese selbst auf der Insel gelebt haben.

Wie ein Kriegsschiff sieht der Betonklotz im Meer aus, alle natürlichen Strukturen sind verbaut und befestigt. So kam die Insel auch zu ihrem Spitznamen, Gunkanjima, Kriegsschiffinsel. Über die Jahre wurde ihre ursprüngliche Struktur erweitert, damit all die Bergarbeiter, aber auch die notwendigen Anlagen auf der Insel Platz hatten. Außerdem musste der Abraum aus den Schächten irgendwo hin. Nur langsam holt sich die Natur das Fleckchen zurück. Die riesigen Wohnblocks, sie waren damals die ersten ihrer Art in Japan, stehen dicht neben- und hintereinander. Möbel, Spielsachen und andere persönliche Habseligkeiten sind durch die Fenster zu sehen und erwecken den Eindruck, die Insel sei fluchtartig verlassen wurden. Doch tatsächlich war es einfach nicht möglich, dass mehrere tausend Menschen ihr Hab und Gut aufs Festland hätten mitnehmen können, als der Kohlebergbau auf der Insel aufgegeben wurde. Die meisten konnten sich das einfach nicht leisten. 

Vor den Häusern sind noch die Reste des Schwimmbads zu sehen. Die meisten Menschen, die hier lebten, haben die Insel nie verlassen. Es gab auf Hashima alles, Schulen, einen Kindergarten, Geschäfte und Restaurants, ein Kino, ein Krankenhaus und ein Bordell. Gemüse wuchs auf den Dächern, alles andere kam mit dem Boot. Den Trubel und das Gedränge, das überall geherrscht haben muss, kann man sich kaum vorstellen. 

Auf der Rückfahrt bot sich uns ein herrlicher Ausblick auf Nagasaki, die Häuser schmiegen sich um die Flussmündung und an die umliegenden Hügel. Am Abend schauten wir uns diesen Anblick noch aus einer anderen Perspektive an. Nagasaki soll vom Inasajama eine der schönsten nächtlichen Aussichten des Landes haben, also zogen wir nach Einbruch der Dunkelheit nochmal los. 

In einem Wohngebiet liegt die Talstation der Seilbahn, versteckt hinter einem kleinen Schrein im Wald. Hier gab es ein kurzes Erlebnis, mit der für uns immer noch undurchschaubaren Müllentsorgung in diesem Land. Wir hatten uns unterwegs ein Getränk gekauft und es war wie immer weit und breit kein Mülleimer in Sicht. Die klebrigen Dosen in den Rucksack zu stecken, war aber auch keine gute Option. Also fragten wir an der Seilbahn nach einem Mülleimer. Der uniformierte Seilbahnbetreiber nickte freundlich, nahm uns die Dosen ab und stellte sie hinter sich ins Regal. Ab sofort nehmen wir den Müll einfach mit ins Hotel. 

In einer Glaskabine ging es nun 10 Minuten nach oben und schon darin war die Aussicht atemberaubend. Wie Sterne punkten die Lichter der Stadt die Landschaft um den Fluss und den Hafen. Wie die Milchstraße von oben, erklärte uns die Kabinenbegleiterin. Oben war es noch ein kurzer Spaziergang durch einen überdachten Gang mit Lichtspiel an der Decke, dann erreichten wir die Aussichtsplattform auf dem Dach eines mehrstöckigen Badehauses und konnten über die Aussicht nur staunen. Ein Teppich aus Lichtpunkten in der Dunkelheit, dazwischen der Fluss, wie er zum Meer hin immer breiter wird, am Hafen verläuft die Stadt nach und nach in der Dunkelheit.   

Als um 10 die letzte Gondel nach unten fuhr, mussten wir uns losreißen. Den unbeleuchteten Fußweg hätten wir vermutlich gar nicht gefunden. Unten erwischten wir noch eine der bunten Straßenbahnen und jetzt, wo die Bahnen nicht so voll waren, entdeckten wir, dass die Fahrer weiße Handschuhe tragen. 

Leider hat Nagasaki noch eine andere Sehenswürdigkeit, die unsere Stimmung ziemlich drückte. Tag für Tag haben wir den Besuch aufgeschoben und machten uns schließlich doch auf den Weg nach Urakami. Sehenswert ist das Atombombenmuseum auf jeden Fall,  bemerkenswert durchdacht und mit viel Feingefühl gestaltet, aber grauenvoll.

Mit der Tram kamen wir in ein unauffälliges, hügeliges Wohngebiet und nachdem wir die Hauptstraße überquert hatten auf einen Platz mit einer schlichten dunklen Säule, die Zahl 75.000 steht auf dem Sockel, daneben liegen riesige Pakete mit bunten Papierkranichen. Vereinzelte weitere Gedenkpunkte gibt es auf dem Platz, Statueen, die Hälfte des Türbogens der Urakamikathedrale, halb verbrannt, Reste eines Brückenbogens. Die falschen Schatten an den Ruinen wirken gespenstisch. Überall auf dem Platz hängen und liegen diese riesigen Pakete mit den Papierkranichen.

Etwas eigenartig ist die Bebauung des Platzes, ringsherum liegen mehrstöckige Wohnhäuser, mit den Balkonen zur Säule ausgerichtet. Eine seltsame Aussicht. Ein kleiner Bach fließt in einem Graben und wir erfahren, dass der Boden hier einmal tiefer lag. Eine Treppe führt ca. 2 Meter hinab zum Wasser, in den Wänden des Grabens befinden sich Fenster, dahinter liegen die Habseligkeiten der Menschen die bis 1945 hier gelebt haben, Kleidung, Geschirr, Spielsachen und der Schutt der zerstörten Gebäude. Keine Möglichkeit, den verseuchten Schutt wegzuschaffen, so wurde das alles einfach zugeschüttet und auf den Trümmern neu gebaut. 

Wir waren noch nicht mal bis ins Museum gekommen und hatten schon das Gefühl, genug gesehen zu haben. Das Museum betraten wir von oben und wurden über eine Wendeltreppe auf eine Zeitreise geschickt. Oben an der Treppe steht das heutige Datum und über verschiedene Ereignisse geht es nach unten ins Jahr 1945, wo uns eine zerbeulte Wanduhr erwartete, die um 11:02 stehen geblieben war. In einem düsteren Raum lagen zerstörte Gegenstände, ein großer Wassertank, der übrige Teil der Urakamikathedrale. Die Beleuchtung simuliert ein rauchiges Feuer. Zwischen den Gegenständen werden Fotos auf Monitoren gezeigt. Ein bedrückender Ort. 

Die übrigen Räume sind normal beleuchtet, aber nicht weniger bedrückend. Zu den ausgestellten Gegenständen gibt es jeweils die Geschichte der Person, der sie gehörten. Meistens handelte es sich um Schüler, denn bei denen standen die Namen auf den persönlichen Dingen, wie einer Luchbox mit verbranntem Reis. Ein anderer Raum zeigte Fotos der Stadt vor der Explosion. Wir erfuhren noch einiges über die Stunden nach der Explosion und wie es für die Überlebenden weiterging. Die Geschichten waren kaum zu ertragen. 

Ein anderer Teil des Museums widmet sich der Gegenwart, eine Ausstellung zeigt, welches Land wie viele Atomwaffen besitzt und welche Auswirkungen deren Test auch aktuell auf Menschen in der Umgebung haben. Eine ernüchternde Information, nachdem wir uns mehrere Stunden eingeredet hatten, dass so etwas sicher nie wieder passiert.

Direkt nebenan befindet sich die Gedenkhalle, versteckt hinter einer Hecke. Der Eingang verläuft durch ein großes Wasserbecken. Das Wasser ist all den Opfern gewidmet, denn durch die Hitze der Explosion verdunstete nahezu alles Wasser in der Stadt. Auch im Inneren gibt es überall kleine Wasserfälle und Becken und außer dem Wasser keine Geräusche. 

In einem sonst kahlen Raum werden die Passfotos der Opfer nacheinander an die Wand projiziert und verschwinden dann. In der Mitte des unterirdischen Gebäudes befinden sich hohe Glassäulen, die als Bücherregale dienen. In den Büchern stehen all die Namen. Auch die Gedenkhalle ist voll mit Kranichen. Die Stimmung in der Halle ist sehr ergreifend, brachte uns nach den Schrecken des Museums aber auch wieder etwas zur Ruhe. 

Wir besuchten noch den nahegelegenen Friedenspark, eine überdachte Rolltreppe brachte uns hinauf und auch hier gibt es viel Wasser. Hinter einem flachen Springbrunnen steht die Friedenstaube, dabei ist die Statue garkeine Taube. Der Park ist recht groß und zwischen Statuen, die teils Geschenke von anderen Ländern oder Städten sind, und Denkmälern für verschiedene Opfergruppen finden sich noch ein paar Grundmauern der ursprünglichen Häuser und es ist noch gut zu erkennen, wo damals die Straßen verliefen.

Auf dem gegenüberliegenden Hügel hat eine Schule die Explosion überstanden. Die Fassade wurde gereinigt, hat aber noch immer deutliche Brandspuren. Um das Gelände herum stehen noch einzelne verstrahlte Bäume, kümmerlich und krumm. Auf dem Schulhof steht eine mit Kranichen überhäufte Kinderstatue. 

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