
Myella – auf der Farm
Über Serpentinen und durch kleine hübsche Dörfer führte uns die Straße durch Wald und Busch den Berg hinauf. Um ins Outback zu kommen, mussten wir erstmal das Gebirge überqueren. Auf der anderen Seite war es vor allem trocken und nach kurzer Zeit wurde die Landschaft wieder ziemlich flach. Hier und da wuchsen Büsche am Straßenrand und der Dürre zum Trotz es gab riesige Kuhweiden. Über die flache Landschaft konnten wir unendlich weit sehen. Die einzige Erhebung war hier und da ein Windrad. Zwei riesige Emus betrachteten uns neugierig beim Vorbeifahren.
Nach zwei Stunden legten wir eine Pause beim vermutlich einzigen Kiosk / Cafe / Lebensmittelladen / Geschenkeshop / Möbelhaus / Tankstelle / Kneipe / … auf höchstens 50m^2 ein. Die anderen Kunden trugen Arbeitskleidung, also schmutzige Jeans und Cowboyhüte. An einem teuren, eigentlich zum Verkauf stehenden Esstisch bekamen wir ein Mittagessen serviert. Selbst die Toilette, in einem Baucontainer war mit diesen teuren, ausgestellten Holzmöbeln ausgestattet.
Dann ging es weiter, kilometerweit geradeaus, Richtung Banana. In einer Stunde mussten wir nur ein einziges mal abbiegen, Kurven gab es keine. Schließlich erreichten wir die Myella Farm, die überraschender Weise mitten im nirgendwo eine Hausnummer hat, die 15 und wir fragten uns wie viele 100 km wohl die 14 und die 16 entfernt sind.
Normalerweise werden hier Sonntags keine Gäste empfangen aber wir hatten Glück, weil wir nur zu zweit waren, machten sie eine Ausnahme. Shane der uns die Farm zeigte, stellte uns auch die Familie vor, unter anderem den Hausherren Peter, dessen Vorfahren die Farm bei einer Lotterie gewonnen haben. Außerdem gehörten auch noch Pink Floyd und Harry Nofeathers dazu, die wir später noch kennen lernen würden.
Dann durften wir mit Shane ihm über die riesige Farm fahren. Unser Platz war dabei auf der Ladefläche eines verbeulten Pickups, wo wir auf den holprigen Feldwegen ganz schön durchgeschüttel wurden und uns gut festhalten und ab und zu einem Ast ausweichen mussten. Wenn Shane anhalten sollte, klopften wir aufs Dach, z.B. als wir unter einem Baum zwei riesige Kängurus entdeckten.
Am Rand der roten, staubigen Straßen wuchsen Flaschenbäume und Büsche und bis zum Horizont gab es Wiesen. Dann trafen wir eine Kuh, die irgendwie aus der Weise rausgekommen war und einen Weg zurück suchte. Shane trieb sie mit dem Auto zurück.
Über eine Endlose Weiden fuhren wir auf einen Hügel, den man kaum so nennen kann. Shane bat uns, uns zwischen den Kühen nicht zu bewegen, weil diese Angst vor Fremden haben. Von “oben” hatten wir einen unglaublichen Ausblick über die unendliche Landschaft, der auch noch eine Weile auf dem Weg nach unten, einfach quer durchs Gras blieb. Im Gras mussten wir vorsichtig sein, wegen der Skorpione. Shane fand einen toten und nahm ihn mit, um ihn beim Abendessen den anderen zu zeigen.
Dann kamen wir zu einer weiten Fläche aus rotem Staub, mit riesigen Flaschenbäumen. Wir hatten hier eine öde Landschaft erwartet, stattdessen wechselte sich ein beeindruckender Ausblick mit dem nächsten ab.
Shane erklärte uns, dass sie manchmal für 400$ pro Stunde einen Hubschrauber mieten um überall nach dem rechten zu sehen, weil die Farm zu riesig und unzugänglich ist, dass es Tage dauern würde alles mit dem Pferd abzureiten.
Zurück beim Haus waren wir von der Hitze ganz schön ko, aber Peter erklärte uns, dass der Mensch ja super dafür geeignet sei nackt im Dschungel zu überleben, in kälteren Ländern aber einfach erfrieren würde. Wir müssten das Schwitzen einfach akzeptieren, meinte er. Dann gabs erstmal heißen Kaffee.
In einem Baumstupf neben der Küche hockte ein rosafarbener Kakadu, den ich mir gern ansehen wollte. Als ich näher kam starrte er mich angfiffslustig an und fragte “whats up?”. Ich war etwas erschrocken über diese plötzliche Ansprache. Er fragte als nächstes Christian nach seinem Namen und teilte uns dann mit, dass er Pink Floyd hieße. Von nun an hockte er meistens wenn wir beim Haus waren neben uns auf einen Stuhl und erzählte irgendwas in verschiedenen Sprachen. Er konnte sogar ein bischen Deutsch. Ähnlich anhänglich war der federlose Harry, der nur noch ganz wenig Gefieder hatte. Er konnte zwar nur “Hello” sagen, das aber bis zu 100 mal pro Minute. Außerdem kam er uns immer aufgeregt entgegen gehüpft und lief dann “Hello” brabbelnd neben uns her.
Rund ums Haus wuchsen Orangenbäume, Bananen und und und.
Am Nachmittag war es Zeit die Kälbchen zu füttern. Und woher kommt bloß die ganz Milch für die beiden? So wollten auch noch die Kühe gemolken werden. Shane zeigte uns wie das geht und in der Zwischenzeit kam Trevor, der wohl auch hier arbeitet aber heute seinen freien Tag hatte, und gab kluge Ratschläge. Dann durften wir es versuchen und es war einfacher als gedacht aber auch ein bischen eklig, besonders wenn man wie ich eigentlich keine Milch mag. Die frische Milch kam erstmal in Krügen in den Kühlschrank und scheint hier Hauptnahrungsmittel und Snack zwischendurch und und und zu sein.
Später entdeckte Christian zwei Kängurus ganz nahe beim Haus durchs Graß hüpfen und Lyn erklärte uns, dass sie mit der Hand aufgezogen wurden und deshalb so nah kämen. Manchmal sah man nur die Ohren wie Flummis durchs Feld Hüpfen und ab und zu tauchte das ganze Tier im Sprung auf. Am Zaun hatte sich in der Dämmerung noch eine kleinere Rasse eingefunden, ein Weibchen mit Baby im Beutel und wenn es fraß, lehnte sich das kleine raus und fraß mit.
Als es dunkel wurde läutete eine Glocke zum Abendessen und ca. 20 Personen fanden sich am Tisch ein, die ganze Familie, wir und eine Frau deren Auto im Outback liegen geblieben war. Es gab jede Menge Fleisch und selbstgebrautes Bier, der Skorpion wurde begutachtet und Peter las eine selbstgeschriebene Geschichte vor. Später kam noch eine Gruppe Musikerinnen, die in einer Siedlung in der Nähe ein Projekt mit indigenen Jugendlichen hatten. Eine von ihnen erzählte, dass sie im Sommer mit Xavier Rudd nach Frankfurt käme. Am nächsten morgen bekamen wir von ihnen noch ein kleines Privatkonzert.
Als Pink Floyd in seinen Käfig gebracht wurde, bereitete er sich schon mal sprachlich auf den nächsten Morgen vor und verabschiedete sich mit “brekfast” und “Want a coffee?” Auf dem Weg zu unserem Zimmer hatten es sich jede Menge Kröten bequem gemacht, sie gingen uns aber selbstständig aus dem Weg und nahmen hinter uns wieder ihre Plätze ein. Im Bad entdeckten wir außerdem bunte Frösche mit Saugnäpfen an den Füßen in den Fensterscheiben. Nachts wurden wir vom gruseligen Geheul der Dingos geweckt, vor denen wir auch unsere Schuhe in Sicherheit bringen sollten.