Lofoten – Kabeljau

Lofoten – Kabeljau

Viel mehr noch, als die wunderschönen Landschaften prägen die zahlreichen kleinen Fischerdörfer das Bild der Lofoten. Aufgebaut sind sie alle ähnlich, ein kleiner Dorfkern und rings herum die roten Fischerhütten am Wasser, überall wo Platz ist. Oft sind alte Geschäfte und Werkstätten als eine Art Freilichtmuseum erhalten.

Nusfjord auf Flakstadoy gefiel uns am besten. Schon die Anfahrt ist spektakulär. Zunächst am bunten Fjord entlang durch Blumenwiesen hält man bald auf eine steile, schwarze Wand zu, die sich bogenförmig um das Straßenende zu schließen scheint. Wo soll denn hier ein Dorf sein? Kurz vor der Wand biegt die Straße nach links und es zeigen sich die ersten mit roten Stelzenhütten besetzten Felsen am Fjord.

Im Ort gibt es eine alte urige Bäckerei, die nur Zimtbrötchen verkauft, wahnsinnig leckere Zimtbrötchen. Wir setzten uns auf einen der Felsen und genossen Aussicht und Geschmack. Spatzen kamen und schnappten sich die angebotenen Krümel direkt aus der Hand. Die Fischgestelle, an denen der Kabeljau bis in den Juni hinein zum Trocknen hängt, waren hier schon geleert worden. An anderen Stellen hängt er noch. Unten im Dorf gibt es ein Bootshaus, in dem wir Boote und Werkzeuge zu sehen bekamen. Auf dem Weg durch den Ort mussten wir uns vor den zahlreichen Möwen in Acht nehmen, die an jedem noch so kleinen Mauervorsprung oder Fenstersims nisten. Etwas versteckt entdeckten wir eine Kunstgalerie.

Auf der anderen Seite liegt der kleine Hafen, um den die Fischerhütten im Halbkreis an einem schmalen Bohlenweg liegen. Weil auch hier alles auf Stelzen gebaut ist, liegen die Boote unter dem Weg. Am Ende des Bogens geht das Dorf an einem Hügel wieder in Fischgestelle über, von dort hatten wir eine herrliche Aussicht auf das ganze Dorf, den Hafen, die großen gelben Lagerhäuser. 

Weil es wieder recht kalt war, beschlossen wir am Abend nochmal eine Hütte zu nehmen und wurden in Ballstad fündig. Die Hütten sind ganz neu und im Stil der Fischgestelle gebaut, mit Aussicht auf kantige Berge und Meer. Im angrenzenden Restaurant trafen wir unsere Nachbarn aus der vorherigen Unterkunft, die uns, genauso überrascht, zuwinkten. 

Vorbei an Sandstränden, Schafen, Fischerhütten und Felsen fuhren wir am nächsten Tag auf die südliche Insel Moskenesoya. Weil das Wetter so kalt blieb, wollten wir am Abend die Fähre nehmen um an einem wärmeren Ort zu übernachten. Erstmal hatten wir aber noch einen spannenden Tag vor uns. Auf der unteren Insel hängt noch fast überall der Fisch, ein faszinierender Anblick, der aber je nach Windrichtung einen wirklich unangenehmen Geruch mit sich bringt. Ab und zu konnten wir auch Traktoren beobachten, die den Fisch abnahmen. 

Ganz unten, am Ende einer kurvigen engen Straße, liegt das hübsche Dörfchen Ä, eingebettet in ein schmales, bunt blühendes Tal. Weiße Wohnhäuser ziehen sich das Tal hinauf, rote Säumen die Küste und den Hafen. Der Freilichtmuseumsanteil ist in Ä am größten und wir lernten noch mehr über die Fischerei. 

In der Saison von Februar bis April kommen über 5000 Fischer auf die Lofoten, um den Kabeljau zu fangen, für die braucht man also all diese Hütten, die im Sommer von Touristen bewohnt werden. Wir besichtigten ein Wohnhaus, in dem uns eine Frau die Handschuhe der Fischer zeigte, jeder hat zwei Daumen, wenn eine Seite abgenutzt ist, geht es auf der anderen weiter. Vier Paar etwa verschleißt jeder Fischer in der kurzen Saison.              

In einer Bäckerei mit gusseisernem Ofen holten wir uns das obligatorische Zimtbrötchen und Kaffee und setzen uns auf die Bänke am Dorfplatz. Auch Ä ist fest in der Hand von Möwen. Auch hier gibt es ein Bootshaus mit Ausstellung. Auf dem Dachboden lauerte ein Draugr. 

Nebenan entdeckten wir etwas ziemlich ekliges, die Tranbrauerei. Den Tran findet man in Norwegen noch in jedem Supermarkt und vielleicht ist er ja wirklich eine sinnvolle Ergänzung in den dunklen Wintern. Der Gestank im Gebäude ist jedoch kaum auszuhalten, denn in einer Ecke steht ein ganzer Eimer der Ölig schwarzen Flüssigkeit und auch die Werkzeuge und Gummistiefel sind davon überzogen. 

Besser gefiel uns der alte Tante Emma Laden mit Cafe, auf der anderen Seite des Platzes. 

Oberhalb von Ä liegt Reine. Wer hätte es gadacht, fest in der Hand von Möwen. Wir wollten auf dem Parkplatz einen kurzen Regenschauer abwarten, als sich eine Möwe aufs Autodach plumpsen ließ und mit großem Gezeter darauf herumtrappelte. Nur mit viel Schimpfen und Klopfen konnten wir verhindern, ein Möwennest an der Dachreling vorzufinden, wenn wir zum Auto zurückkämen.

Reine ist der wohl blütenreichste Ort der Lofoten, die meisten Dächer sind bewachsen und auch die Fischgestelle liegen inmitten bunter Wiesen.  Der Ort selbst schmiegt sich idyllisch in die umliegenden Buchten und verstreut sich zwischen den Bergen. 

Weil wir mal wieder keine Reservierung hatten, das geht nur einen Tag im Voraus, stellten wir uns schon gegen halb fünf für die 18 Uhr Fähre an. Wir bekamen einen Platz weit vorne in der zweiten Lane, hatten also sehr gute Chancen mitzukommen. Es war immernoch ziemlich stürmisch und uns gruselte etwas vor der dreistündigen Überfahrt. Die 18 Uhr Fähre verschwand gegen halb sieben von der Anzeige, tauschte aber niemals auf. Eine 19 Uhr Fähre wurde nun angezeigt, die es aber laut Fahrplan garnicht gab. Dann wurde auch die als canceled angezeigt. Mehr Information gab es nicht. Warten? Es machte uns etwas stutzig, dass in der Lane für Reservierungen nur ein einziges Wohnmobil stand, was wissen die Leute mit Reservierung, was wir nicht wissen? Wir sprachen den Fahrer an. Er hätte für morgen früh reserviert, aber eine SMS bekommen, dass die Fähren morgen nicht führen. Bei einem Anruf hätte man ihm geraten, sich heute Abend für die 18 Uhr Fähre anzustellen. Jetzt sei aber telefonisch auch niemand mehr erreichbar. 

Wir rechneten hier so schnell mit keiner Fähre mehr, fädelten uns aus den mittlerweile gut gefüllten Lanes aus und beschlossen wieder zurück nach Norden zu fahren um es an der nächsten Fähre zu versuchen. Wir konnten uns an den Inseln sowieso nicht satt sehen. 

Die nächste Fähre gibt es in Svolvaer, aber an diesem Abend fanden wir nur einen verlassenen Geisterhafen vor. Das einzige Lebenszeichen war das Schild einer Busgesellschaft vor einem beleuchteten Büro, dass man hier nicht nach der Fähre fragen soll. 

Also weiter. spätestens im Norden der Vesteralen kommt man über Brücken zurück aufs Festland. Eine letzte Möglichkeit gab es vorher noch, die Fähre nach Bognes, mit der wir auf die Inseln gekommen waren. Für die letzte um zehn waren wir aber schon etwas spät dran. Wir versuchten es trotzdem, bogen um die Ecke und was für eine Überraschung, da stand sie und schaukelte mit offenem Maul auf den Wellen. Die Lanes waren noch voll, wir stellten uns freudig an. Warten, warten, warten, nichts passierte. Ich stieg aus und ging nach vorn. Viele hatten schon den Motor laufen, in Erwartung gleich darauf zu fahren. Am Wasser erwartete mich ein Geisterschiff, offene Klappe, volle Beleuchtung, im Wind knarzen, kein einziger Mensch an Bord oder am Hafen. Von der Homepage erfuhren wir, dass auch diese Fähre ausfällt, es gäbe keine Crew. Langsam dämmerte uns, dass die Fähren bestreikt wurden. 

Je weiter wir nach Norden kamen, umso weniger Häuser gab es. Richtige Dörfer hatten wir schon seit Stunden nicht mehr gesehen. Obwohl es spät in der Nacht, außerdem taghell und manchmal sogar sonnig war, brannte in den wenigen Häusern überall Licht. Ein Elch spazierte vor uns über die Straße. Meist ging es am Meer entlang, ab und zu durch Wälder und immer irgendwie durch Blumenwiesen. 

Kurz vor Narvik wurde es wieder urbaner. In den breiten Straßen der Stadt waren die Schaufenster von teuren Luxusgeschäften beleuchtet. Narvik ist eher in einem russischen Baustil gehalten und wirkt hier im Nirgendwo mit seinen zahllosen Ampeln, fünf Spurigen Straßen und endlosen Betongebäuden etwas deplaziert. Dass trotz voller Beleuchtung in der gesamten Stadt kein einziger Mensch zu sehen war, verlieh ihr noch eine zusätzliche kafkaeske Note.

Eine spektakuläre, surreal-riesige Hängebrücke führte uns über den nächsten Fjord.  Zum übernachten war es uns hier zu kalt, aber wir hatten das Festland erreicht und von nun an ging es wieder nach Süden.  

Das Wetter wurde wieder stürmischer und es regnete wieder in Strömen. Gegen drei Uhr war das Thermometer auf über Zehn Grad geklettert und wir steuerten den nächsten Campingplatz im Nirgendwo an. Am nächsten Mittag erreichten wir Bognes mit der Straßenfähre. Von den Lofoten war hier heute noch kein Schiff angekommen und es war auch keins in Sicht. 

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