Krakau – bunte Pflasterstraßen, prunkvolle Kirchen und finstere Gruften

Krakau – bunte Pflasterstraßen, prunkvolle Kirchen und finstere Gruften

Die Altstadt von Krakau ist von einem schmalen Park umgeben. Wir wohnten an dessen Außenseite, direkt an der Uni mit ihren prunkvollen alten Gebäuden. Prunkvoll ist eigentlich die ganze Altstadt, prunkvoll und winzig. Es war nur ein kurzer Fußweg zum Rynek, in dessen Mitte die Tuchhalle steht. Von außen wunderschön, von innen eine Tourihölle aus Souvinirständen. Auf diesem überladenen Platz wirkt das eigentlich große Gebäude fast filigran. Daneben steht der alte Rathausturm, das höchste Gebäude, mit bröckelig-rustikaler Fassade. Rings herum reihen sich bunte Häuser aneinander, eins schöner als das andere. Dafür braucht es aber einen dauerhaften Blick nach oben, denn unten reihen sich nur vollgestopfte, eintönige Bars und Restaurants aneinander. Es war Freitag Abend, ab Sonntag sah das schon wieder ganz anders aus und wir konnten die alten gepflasterten Gassen ganz in Ruhe, ohne Trubel genießen. 

Hinter der Tuchhalle gibt es eine Ansammlung von etwas deplatziert wirkenden Kirchen, einfach mitten rein geflanscht. Wahrscheinlich verliefen die Straßen hier mal anders, oder jemand dachte sich “ach guck, da ist noch Platz”.  

Später schauten wir uns das noch genauer an, aber jetzt hatten wir erstmal Hunger. Zum Glück werden hier nicht um acht die Küchen geschlossen, wie in den kleineren Städten, denn wir konnten uns bei der riesigen Restaurantauswahl in den Gassen garnicht so schnell entscheiden. Wir schlenderten von Pizza- zu Pirroggi-Speisekarten, bis uns bunt geschnitzte Holzfiguren in das folkloristisches Restaurant, Goscinna Chata, im Hinterhof lockten.  

Dort wurde uns zwischen bestickten Tischdecken, Blumenverzierungen und Schränken voll mit Einmachgläsern geräucherter Käse und altes Bigosch serviert. Altes Bigosch, das Nationalgericht, ist ein Resteessen aus immer wieder aufgewärmtem Sauerkraut mit Fleisch, Wurst, Speck und was sonst noch so übrig ist und unglaublich lecker.

Anschließend spazierten wir noch etwas durch die schummrige Altstadt. Bis zum anderen Ende ist man quer durch gute zehn Minuten unterwegs. Dort erfuhren wir auf dem Platz der Partnerstädte, dass auch Frankfurt dazu gehört. 

Im Dunkeln kamen wir zurück zum Ryneck, der bei Nacht noch viel Eindrucksvoller ist.

Für so eine kleine Stadt, gibt es hier ganz schön viel zu sehen. Wir besuchten die Keller unter der Tuchhalle, als Museum eigentlich ganz gut gemacht. Uns war allerdings der Glas und Beton Anteil zu hoch, schließlich ging es dort unten hauptsächlich um das Leben im Mittelalter und früher. In den äußeren Gewölben gab es eine Ausstellung zu den Ausgrabungen auf dem Markt. Alten Straßen mit deutlichen Kutschenspuren lagen vor uns. In kleinen Lagerräumen schauten wir Filme über die Geschichte Krakaus und Polens. 

Am Ausgang der Keller standen wir gegenüber der Marienkirche und die war ein echtes Highlight. Von außen sind verschiedene Mausoleen angebaut, da muss man sich beim Bau wenig Gedanken machen. Wenn jemand starb hieß es einfach “Wand auf, Gräber dran, fertig”. Auch von innen ist die Kirche wunderschön. Die Decke, ein dunkelblauer Sternenhimmel, die Wände mit bunten Stoffen und Mustern verziert, mitten drin, Säulen und zahllose Altäre, das überwältigte uns schon beim Reinkommen. Kein Fenster gleicht dem anderen und alle leuchten in grell bunten Farben. Die Orgel wird von vier ambitionierten, goldenen Engeln mit verschiedenen Blasinstrumenten geziert. Die Mausoleen sind natürlich auch von innen nicht zu verachten, alle verschieden und mit wunderschönen Deckengewölben.

Und dann kommt der Hochaltar in den Blick, mit hunderten kleinen, goldenen Figuren. Das ist eine der schönsten Kirchen, die wir je gesehen haben. Lange saßen wir hier und da und ließen Kunstwerke und Atmosphäre auf uns wirken.  

Wieder draußen spazierten wir erstmal durch die Straßen und den umliegenden Park. Wir genossen die Stadt, bis es Zeit für eine Kaffeepause war, und für ein übermäßig mit Caramel gefülltes Croissant, was für eine leckere Sauerei.

Völlig verklebt ging es weiter zur Stadtmauer. 

Von der Stadtmauer ist nur ein kleines Stück erhalten, sowie ein Wehrturm und das Florianstor. Ganz oben in dem engen Turm gab es einen kleinen Film, Krakau vom Mammut bis heute. Dann sahen wir uns das Treiben in der Stadt von oben aus dem hölzernen Wehrgang an. Mitten auf der Mauer gibt es eine winzige Kapelle über dem Stadttor. Zur Stadtbefestigung gehörte außerdem eine Barbakane. Da mussten wir erstmal rausfinden, was das ist: Eine kleine, vorgelagerte Festung mit schmalen Wehrgängen, von denen man die Stadt und die Umgebung sehen kann. Die ganz nervigen und besonders unerwünschten Leute konnte man hier schon aussortieren, bevor sie überhaupt am Stadttor ankamen. Die Straße verlief mitten durch die Festung, abgesperrt durch zwei große Holztore auf beiden Seiten. Glücklicherweise durften wir wieder rein, in die Stadt. Vorher lauschten wir noch einer Bigband, die aus dem Nichts Aufstellung zwischen Barbakane und Stadttor bezog und unvermittelt loströtete. Sowas sahen wir öfter, denn nächste Woche ist hier ein großes Jazzfestival.     

Im Schatten den Stadtmauer tranken wir ein Bier und studierten die neueste Touristenmode, bauchfreie Hawaihemden und nackte Männerfüße in eher geschmacklosen Mokassins scheinen der neueste Schrei des Sommers. Neugierig, was sich davon wirklich durchsetzen wird, wunderten wir uns, dass alle paar Minuten ein Pferdekutsche vorbei kam. Wundgescheuerte, erschöpfte Pferde, die im Kreis über Pflasterstraßen gescheucht werden, wer bezahlt noch für sowas? Beim Blick auf die Fahrgäste wurde aber schnell klar, dass sich dieses Geschäft noch lohnt. Den meisten sieht man die Ignoranz auf den ersten Blick an. Hier hat die Kutschenummer aber sogar noch eine andere Dimension. Am Marktplatz sitzen Studentinnen mit weit ausgeschnittenen, halb durchsichtigen Blusen auf dem Bock und werben für eine Fahrt. Die dürfen aber garnicht fahren. Wenn ein Kunde kommt, kommt erst noch ein völlig abgeranzter Typ irgendwo her und schiebt die Frau zur Seite. Ein Kutscher hat sogar während der Fahrt noch schmatzend einen Döner gefressen. Wie romantisch. 

Krakau hat noch andere schöne Stadtviertel. Beim Abendessen machten wir uns schon mal mit Kazimierscz vertraut, dem jüdischen Viertel. Durch den Park und vorbei am nächtlich beleuchteten Burgberg erreichen wir das Viertel über eine halb prunkvolle, halb verfallene Straße. Der Laden, in dem wir essen wollten, war am Samstag Abend natürlich voll, aber wir ergatterten den letzten Platz im Fensterbrett. Im Restaurant sah es aus wie im Dschungel und das Essen war auch hier wieder unglaublich gut. Auf Rosenlimonade und Salat mit gebratenem Käse folgte ein am Tisch, äh Fenster flambierter Schaschlikspieß. Bei mir brannte zum Glück nur das Fleisch, an anderen Tischen breitete sich das Feuer über den gesamten Teller und alle Beilagen aus.  

Auch die Burgkirche auf dem Wawel ist von außen wild mit Mausoleen zusammengestückelt und hat zwei verschiedene Türme. Das ist hier scheinbar so. Vorbei an einer üppigen Blumenwiese stiegen wir den Burgberg hoch. Die Burgbesichtigung ließen wir aus, das macht so kurz nach der Marienburg einfach keinen Sinn. So genossen wir nur die und Außenansichte vom Burghof und die Aussicht auf die Weichsel. Aber die Kirche sah interessant aus. 

Wunderschön ist die Burgkirche und steht der Marienkirche in der Altstadt um nichts nach. Aber das Highlight liegt hier tief unter den Kirchenbänken und dem Altar. Sie ist vollgestopft mit Gräbern, hauptsächlich von Königen, seit der Gründung Polens. Einige davon liegen natürlich in den Mausoleen, wie das des polnischen Papstes und die, einiger reicher Familien. Ein Mausoleum ist schöner als das andere, bunt verziert oder andächtig in schwarzem Marmor gehalten, alle sind anders. 

Die Särge der Könige stehen einfach als Kunstwerke mittendrin in der Kirche, aber die ihrer Familien und anderer bedeutender Persönlichkeiten fanden reich verziert in der Krypta Platz. 

Bis zu den Särgen zweier Schriftsteller wurden noch ein paar Schulklassen geführt, weiter unten wurde es aber zu eng und zu gruselig für Gruppen. Ein wirres Labyrinth führte uns von Gruft zu Gruft. In den meisten liegt eine ganze Familie begraben. Manch einer hat aber auch sein eigenes Räumchen, wie der Prinz aus Transsilvanien, der nie polnisch lernte und mit seinen Untertanen nur Lateinisch sprach. Tja, was soll man dazu sagen? Schnell weiter, bevor er aufwacht. 

Neben Königinnen und Prinzessinnen gab es polnische Kriegshelden und das Präsidentenpaar, das bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam und hier fragte uns allen ernstes eine Frau nach einem Foto von ihr mit den Särgen. 

Vom Wawel ging es weiter, nach Kazimierscz bei Tag. Das Viertel hat eine ganz andere Atmosphäre als die Altstadt, Gassen zweigen wild von der breiten Hauptstraße ab und führen zu Synagogen, zum Markt, zu kleinen Geschäften und hübschen Bars. Schick restaurierte Altbauten stehen neben halb verfallenen. Hier gibt es noch Anwohner, nicht nur Touristen und mehr lokale Läden, wie z.B. eine Fahrradwerkstatt, anstelle von Souvenirshops. Nach ein bisschen Verlaufen erreichten wir den achteckigen Marktplatz mit Obst und Gemüseständen und einer kleinen Markthalle.    

Hier am Markt liegt eine urige Bar, Alchemia, ein düsterer, geheimnisvoller Laden. Aus der grellen Sonne stolperten wir in den kleinen, dunklen Thekenraum. Schwarze Wände, dunkle, alte Holzmöbel, erst nach und nach entdeckten wir einen gemauerten Ofen, ein ausgestopftes Krokodil an der Decke, daneben ein Huhn und jede Menge alter Töpfe und Kessel. Wir wollten irgendwo sitzen, vielleicht ist im Nebenraum Platz. Der befindet sich schon im nächsten Gebäude und dahinter gibt es weitere Wanddurchbrüche in andere Häuser, einen hinter dem Schrank, ein anderer führt direkt in Omas Küche. Die alten gemusterten Tapeten wurden einfach mit anderen Mustern übermalt. In den Fenstern saßen Leute mit ihren Markteinkäufen und Weingläsern, nur wenig später war Bier schon das beliebtere Getränk. Wir blieben auch auf Eins und ein Blutwurstbrot. 

Am Abend besuchten wir ein kleines Chopin Konzert in einem Hinterhaus in der Altstadt. Eine reine Touriveranstaltung, ein bisschen seltsam, aber lustig. In dem etwas schäbigen Treppenhaus begrüßte uns der Veranstalter und ein Mann, von dem wir erst dachten, er sei der Hausmeister. Später vermuteten wir, dass er der Vater des Pianisten war. Auf dem Infozettel zum Musiker, der wahrscheinlich Student war, wurde der nämlich auch als großer Pianist erwähnt.

Ausgestattet mit einem inkludierten, klebrigen Weingetränk suchten wir uns einen Platz in dem schummrig beleuchteten Raum. Hier sah es aus wie in einem großen Wohnzimmer, ganz privat. Vor dem offenen Fenster zum blühenden Garten raus, wehte eine weiße Gardine und im Raum standen hunderte Kerzen. LED Kerzen, mit klappernder Plastikflamme, hat man das Geräusch einmal wahrgenommen, lässt es sich nicht mehr ignorieren. Die Musik war dennoch gut und die Athmosphäre wirklich schön. Der Künstler freute sich immer sichtlich über Applaus. Am Ende kam der vermeintliche Hausmeister/große Pianist und motivierte das Publikum aufgeregt zum immer weiter klatschen. 

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