Isla Coiba und Santa Catalina – die jagen nur Nachts

Isla Coiba und Santa Catalina – die jagen nur Nachts

Bis in die 90er war die Insel Coiba eine berüchtigte Gefängniskolonie, für Schwerverbrecher, aber auch für politische Gefangene. Das gesamte Archipel war für den Schiffsverkehr tabu. So grausam die Vergangenheit der Insel ist, um so besser war sie jedoch für ihr Ökosystem. Tier- und Pflanzenarten, die anderswo längst ausgestorben sind, haben hier in Masse überlebt. Andere Tierarten sind endemisch, oder kommen sonst nur noch auf Galapagos vor, von wo Coiba irgendwann abgebrochen und weggetrieben ist. Ein Großteil der Tierwelt ist sogar noch völlig unerforscht. Gleichzeitig haben Forscher hier auch ganz neue Kreuzungen wie einen gruseligen Killerbienenschwarm erschaffen, der bei schreienden Menschen gleich noch mehr Lust zum Angriff bekommt.

Zur Insel kommt man nur vom abgelegenen Örtchen Santa Catalina. Dort angekommen, waren wir etwas verwundert. Wir hatten ein Hostel mit der Beschreibung “direkt im Stadtzentrum” gebucht, konnten aber weder Stadt noch Zentrum entdecken, als wir am frühen Nachmittag vor der Unterkunft abgesetzt wurden. Egal, wir sind ja nicht zur Stadtbesichtigung hier. 

Die Unterkunft entpuppte sich auf Anhieb als Paradies, ein langes duftendes Blumenspalier führte uns in einen idyllischen Hof, mitten in einem lichten Wäldchen voller Hängematten auf einem Hügel über dem Meer.  

Beim Einchecken wurden wir nochmal informiert, dass wir hier mitten im Stadtzentrum sind, alles nebenan, Supermarkt, Restaurants, Bars, Busbahnhof. Ja, stimmt, das gibt es alles, wenn auch nicht gleich ersichtlich. Denn der Supermarkt ist ein winziger Kiosk mit einem anspruchsvollen Regallabyrinth, der Busbahnhof eine busgroß betonierte Straßenecke und ein Teil der Restaurants besteht aus einer Plastikplane mit Grill darunter. Aber das ist eben wesentlich mehr Infrastruktur, als der Rest des Ortes zu bieten hat, der eigentlich nur aus einer einzigen, langen Straße mit weitläufig verstreuten Hotels, Restaurants und Tauchschulen besteht.

Obwohl es außer den Booten nach Coiba nichts besonderes gibt, entfaltete Santa Catalina dennoch schnell seinen Charme und als wir am Abend nach dem W-Lan Passwort fragten, war die Antwort “stay-one-more-night”. Tja, ok. 

Die Hauptstraße führt nach unten zum Meer und hört dort einfach auf, Autos und Pferde stört das wenig, es wird einfach auf dem schwarzen Vulkansand unter den steilen Klippen weitergefahren oder geritten. Etwas versteckt zwischen Palmen gibt es hier ein kleines Restaurant in einer offenen Strohhütte. Von hier aus sahen wir uns das Treiben in diesem “Stadtzentrum” bei einem Piña Colada an. 

Hier verbrachten wir auch einen Teil unseres Extratages, und in den Hängematten des Hostels. Aus dem kleinen Wäldchen gibt es einen Pfad zum Meer natürlich wollten wir baden. Der Stadtstrand ist kein typisch schöner Badestrand, der dunkle Vulkansand macht das Wasser trüb, aber hier an der Pazifikküste ist das Wasser weniger flach und etwas erfrischender als das karibische Meer und der Ort gibt mit dem breiten dunklen Sandstreifen unter den steilen, wilden Klippen eine interessante Kulisse ab. Hier und da stehen verstreut kleine Hütten mit Blech oder Strohdach. Außerdem war mittlerweile wirklich Regenzeit, sodass wir die meiste Zeit unbesorgt ohne Sonnenbrand in den Wellen treiben konnten.   

Später sahen wir dem mittlerweile obligatorischen Monsun von der Terrasse aus zu, und während sich die Lizards eine trockene Lampe suchten, gefiel das Wetter den Kröten ganz gut. Eine leistete uns sogar beim Abendessen Gesellschaft. 

Am Abend wurde es schnell ruhig, denn die meisten Leute müssen am Morgen früh raus, so wie wir zur Insel oder zum ersten Bus. Und so war das Rauschen der Wellen bald das einzige Geräusch. 

Am Morgen beobachten wir auf dem Weg zum Frühstück, wie die Stadt erwacht. Als erstes waren die Hunde und die Hühner auf der löchrigen Straße im Morgennebel unterwegs. Die meisten Einwohner schlummerten noch in ihren Hängematten vor dem Haus. Hängematten scheinen hier überhaupt das beliebteste Möbelstück. Die ersten Tauchlehrer machten sich auf den Weg zur Arbeit und Ausländer mit Rucksäcken auf den Weg zum Bus.

Und wir waren bald auf dem Weg nach Coiba.

Um acht wurden wir abgeholt und zu einer kleinen Gruppe gegenüber gebracht. Unsere Guide, Nathalie, kündigte an, sei heute unsere Mama, verteilte Schnorchel, Flossen und Verhaltensregeln und packte Mittagessen in großen Boxen ein. Wenig später kletterten wir bei recht starkem Wellengang in das kleine Boot. Fast zwei Stunden dauert die Fahrt zum Archipel. 

Wir waren kaum eine davon unterwegs, als wir schon von der Tierwelt überrascht wurden, das Wasser um uns herum wurde unruhig und Nathalie stoppte das Boot. Wir waren mitten in einem riesigen Delfinschwarm. Einige Tiere schwammen immer wieder um uns herum, andere hielten sich in der Ferne, sie waren überall. Auch der Rest der Fahrt war spektakulär, wir kamen an zahllosen kleinen, bergigen Inseln vorbei. Eine davon sah aus wie ein schlafender Riese. 

Wir waren allein auf dem Meer. Nachdem das Gefängnis aufgelöst worden war, blieb sämtliche Schifffahrt bis heute verboten, keine Fischerei, kein Frachtverkehr, niemand außer den Ausflugsbooten darf hier durch und Ausflugsboote gibt es in der Regenzeit nicht mehr viele.        

Dann erreichten wir den ersten Schnorchelspot in der Nähe eines kleinen Strandes, Nathalie testete in ihrer Mamarolle das Wasser auf Quallen, dann Brille auf und runter vom Boot. Bunte Korallen gibt es leider selbst hier nicht mehr, dafür aber unendlich viele bunte Fische, große Skalare, Kugelfische in allen Farben und den ersten Hai, glücklicherweise klein und schüchtern. Die verbleibenden Korallen bilden dennoch eine interessante Landschaft.  

Nach einer Stunde fuhren wir weiter zum nächsten Spot, vor einer winzigen Felsinsel. Hier, recht exponiert im offenen Meer und mit stärkerer Strömung, sollten wir in der Gruppe zusammen bleiben, garnicht so einfach. Ich war von einem großen Schwarm schrillgelber Fische abgelenkt, mit denen ich ein Stück schwamm, die Fische störte das gar nicht. Dann kamen wir zu einem noch größeren Schwarm, riesige blaue Schnapper, das müssen mindestens tausend Tiere gewesen sein. Erst zogen sie wie eine Parade an uns vorbei und kreisten uns dann ein. 

Unsere Guide entdeckte einen besonders großen Kugelfisch und nahm ihn hoch, er pustete sich sofort auf und zappelte hilflos mit seinen winzigen Flossen. Nathalie drehte ihn mit den Kiemen ins Wasser und bald verschwand er wie ein offener Luftballon in der Tiefe. 

Langsam wurden wir hungrig und fuhren zum Mittagessen auf die Insel. Coiba ist eigentlich unbewohnt, bis auf eine Gruppe Ranger, die jeweils 14 Tage hier bleiben. Am Strand gibt es einen einfachen Picknickplatz mit ein paar Tischen. Dahinter eine Wiese und eine trübe Lagune. Nach dem Essen unternahmen wir eine kurze Wanderung zu einem Aussichtspunkt über die Inseln des Archipels. Die meisten Tiere, die wir hier sahen, konnten wir nicht identifizieren. Eines sah ähnlich aus wie ein kleines Wombat, aber natürlich gibt es hier keine Wombats. Das andere war eine große braune Echse, die immer mal aus verschiedenen Löchern in der Wiese schaute. Im obligatorischen Mangobaum saß ein Kapuzineräffchen und bewarf uns mit Früchten, von denen es vorher die Schale gefuttert hatte.   

Am Nachmittag gab es noch eine letzte Schnorchelrunde und das war die spektakulärste. Wir umrundeten eine kleine Insel und trafen auf eine Gruppe Zwerghaie die am Grund lauerten, mindestens vier Tiere. Ab und zu schwammen sie ein Stück unter uns her und kamen etwas nach oben.  

Dann gab es eine große Aufregung, jemand hatte eine riesige Meeresschildkröte entdeckt. Der war der Trubel zu viel und sie schwamm langsam davon. Ich hatte keine Flossen an und war zu langsam, Christian versuchte mich hinterher zu schleppen. Plötzlich zog etwas an meinem Arm, Nathalie nahm ihre Mamarolle ernst. Sie trug superlange Flossen und war ja jeden Tag hier draußen. Blitzschnell zog sie mich durchs Wasser, bis wir die Schildkröte eingeholt hatten. 

Nach drei Stunden im Wasser waren wir langsam ganz schön müde und über die Leiter ins wackelige Boot zu klettern wurde auch immer anstrengender. Zeit für den gemütlichen Teil. Nach drei Wochen Panama haben wir nun wirklich die schönsten Strände der Welt gesehen, oder? Quatsch, Panama hat noch. Ein endlos langer und breiter heller Sandstrand wartete auf uns, in den schattigen Bäumen am Rand tummelten sich bunte Aras, dahinter ein Palmenwäldchen. Das Wasser war ganz transparent und hellblau. 

Nathalie schnitt ein paar Ananas für uns auf und riet uns, einen Blick in die Lagune hinter dem Strand zu werfen. Dort lauerte ein Krokodil, höchstens einen halben Meter vom Ufer entfernt, und starrte uns aus einem Auge an, ohoh. Die jagen nur nachts, behauptete ein Guide einer anderen Gruppe. Vielleicht ist das auf Coiba so, aber wir trauten dem nicht recht und widmeten uns lieber wieder dem Strand. 

Aber dort gab es auch Tiere, die uns fressen wollten. Wir standen im klaren Wasser herum, als plötzlich etwas an unseren Füßen knabberte. Ein Schwarm kleiner transparenter Fische widmete sich unserer Fußpflege. Dann beobachteten wir, wie man Kokosnüssen ohne Machete zu Leibe rückt. Ein Einheimischer nahm eine mit ins Wasser, um an den scharfen Korallen die Schale zu entfernen, dann öffnete er sie mit ein paar Schlägen gegen eine Palme.     

Irgendwann mussten wir aber doch wieder zurück aufs Boot. Die Rückfahrt nach Santa Catalina war abenteuerlich. Wie fast immer am Nachmittag, zogen dunkle Wolken auf und starker Wind, wir wurden ganz schön durchgeschüttelt und machten einige verrückte Fahrmanöver, um den größten Wellen auszuweichen. Zum Glück war das Mittagessen nicht so üppig. 

Ohne Fahrtwind und Wasser stellten wir schnell fest, das war der schwülste Tag den wir jemals erlebt hatten. Kaum hatten wir am Abend das Zimmer verlassen, waren wir schon wieder nass. Von der Luft, zum schwitzen kamen wir gar nicht erst. Tropfend schleppten wir uns in der Dämmerung die Straße hoch, durch die hügelige Landschaft, auf der Suche nach Abendessen. Kaum hat man das “Stadtzentrum” verlassen, gibt es nur noch vereinzelte Häuser zwischen Wiesen und Feldern. Grillen und Vögel machten ein riesen Theater. 

Wir entschieden uns für ein italienisches Restaurant, mitten auf einer großen Wiese und kamen gerade rechtzeitig unter dem Blechdach an, bevor der Monsun losbrach. Blitzschnell waren alle freien Plätze besetzt. Ganz dicht war das Dach nicht, und der Weg zur Theke und zur Toilette wurde zu einem Labyrinth aus Wasserfällen, für sehr lange Zeit. 

Alle atmeten auf, zwar kam man bis spät in die Nacht nicht mehr trockenen Fußes nach Hause, aber die Luftfeuchtigkeit sank wieder auf normales Tropenniveau. 

Nun blieb viel Zeit, uns durch die Cocktailkarte zu probieren. Der Salzrand unseres Margarita bestand aus dem dunklen Meersalz, das hier überall als Spezialität verkauft wird und aussieht wie der Strand selbst, mit dunklem Sand und Algen.            

Irgendwann sollten wir doch langsam zurück nach Panama City. Wir nahmen den Bus, bis Sona ein klappriges altes Gefährt ohne Klimaanlage. Selbstverständlich gab es laute Musik und die rostigen Türen fielen beim Anfahren von allein zu. Unsere Rucksäcke kamen aufs Dach, dann schaukelten wir über die löchrigen Straßen zurück Richtung Panamericana. Richtige Orte gibt es hier nicht, aber Ansammlungen von kleinen Bungalows mit blühenden Gärten. Wer im Bus mit will, stellt sich irgendwo an die Straße und winkt. So dauerte die Fahrt etwas länger, denn nach und nach sammelten wir eine Hochzeitsgesellschaft ein, die schon an einer geschmückten Kapelle erwartet wurde.

Die Landschaft besteht hier hauptsächlich aus Weiden, mit Zäunen aus Bäumen. Die Bauern schneiden Äste ab, stecken sie in einer Linie in die Erde und sie treiben wieder neu aus. Praktisch.     

Eigentlich hatten wir von Sonar eine ruhige Busfahrt, von vielleicht noch vier oder fünf Stunden erwartet. Aber daraus wurde nichts. Als erstes platzte ein Reifen und wir suchten im Schneckentempo eine Werkstatt auf. Dann stellte sich heraus, dass wir auf der Hinfahrt nach David wohl den Expressbus erwischt hatten. Dieser hier hielt überall und sammelte alle paar Kilometer Leute am Straßenrand ein, je näher wir Panama City kamen, um so öfter hielten wir an. Auf halber Strecke fiel die Klimaanlage aus, dafür war mittlerweile ziemlicher Trubel im Bus, Leute versuchten beim Telefonieren die lauten Musikvideos zu übertönen, hörten selbst noch andere Musik oder guckten Filme auf dem Handy, dazwischen schreiende Kinder. Dann endlich, der Kanal, gleich sind wir da.    

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