Iquitos – auf den Spuren von Fitzcarraldo

Iquitos – auf den Spuren von Fitzcarraldo

Mit einem alten klapprigen Flugzeug, dass wohl vor 50 Jahren auch mal in Deutschland geflogen ist, ging es in den Dschungel. Obwohl Iquitos für unsere Verhältnisse mit 600.000 Einwohnern eine Großstadt ist, gibt es keine Straßenverbindung. Ein kurzer Flug oder eine Woche auf einem Frachtschiff sind die einzigen Möglichkeiten die Stadt zu erreichen. 

Der Flug war eine gute Wahl. Nach einem kurzen Stück über die Anden staunten wir über die Flusslandschaft des Amazonas. So weit das Auge reicht winden sich die zahllosen Flüsse völlig unübersichtlich durch den Dschungel. Kein Wunder, dass es am Flughafen außer unserem nur Wasserflugzeuge gab.

Der dichte Verkehr in der Stadt setzt sich aus den alten bunten Bussen und umgebauten Mopeds mit Stauraum oder Mitnahmegelegenheit zusammen. In den kleinen Gepäckablagen hinter den Sitzen haben überraschend viele Leute tatsächlich eine Bananenstaude dabei. Wer so ein Gefährt hat und nicht gerade seine Großfamilie, Möbel oder Hühner darin transportiert, nimmt für kleines Geld Leute mit. Zwischen Fahrer- und Beifahrersitz gibt es immer ein kunstvolles Gebilde aus Wäscheleinen. Manche sind einfach nur in bunten Streifen drum gewickelt, andere sind zu bunten Blumen, Trapezen, gemusterten Kreise und und und geflochten.

Wir hatten für den ersten Abend ein Hotel etwas außerhalb, weil wir sowieso am nächsten Tag früh los wollten. So durchquerten wir auf der 20 minütigen Fahrt ins Zentrum verschiedene Viertel. Ein großer Teil der Stadt besteht aus ärmlichen Hütten, langlebigere Häuser gibt es nur in der Innenstadt. Am Rand der hügeligen Straße gibt es überall Obst- und Gemüsestände. 

Hier im Amazonasdschungel ist ein heftiger Wolkenbruch völlig alltäglich. Unser Fahrer entdeckte eine schwarze Wolke, hielt kurz an, spannte einen riesigen Plane vor sein Gefährt und weiter gings, während sich alle Fußgänger irgendein winziges Dach suchten. Und schon startete die mächtige Dusche. Nach zehn Minuten war alles vorbei, die Sonne kam zurück und die Luftfeuchtigkeit stieg vorübergehend auf unerträglich.

Im Zentrum kann man noch den Glanz des Kautschukbooms an den schicken Villen und gekachelten Gebäuden erkennen. Außerdem gibt es das Eisenhaus, ein Bauwerk von Eifel, mit einer Apotheke und einem Gemüseladen drin. Mit ihrer Abgeschiedenheit vom Rest der Welt hat diese Stadt eine ganz eigene Atmosphäre und ein bisschen ist die Zeit hier stehen geblieben.

Zum Mittagessen suchten eines der alten Restaurant auf. Ein großer Saal mit langer Theke und bodentiefen Spiegeln an den Wänden, der Kellner war natürlich auch passend gekleidet. Hier gab es Yucaempanadas und Paiche, ein riesiger Fisch der nur im Amazonas lebt. 

Der wohl schönste Ort in Iquitos ist der Boulevard, über den Flutwiesen des Flusses. Zwischen den leicht angeschmodderten Kolonialvillen und dem weiten Blick auf die angrenzende Wildnis findet das Nachtleben auf zwei Etagen statt, oben Bars und unten, in den Häusern auf den Pontons, der bunte Nachtmarkt. In der Regenzeit befindet sich die untere Etage wahrscheinlich auch oben. Eine etwas kitschiges altes Betongeländer mit Treppen und Terrassen trennt die Stadt von Fluss.  

Von hier hört man auch das Nachtleben des Dschungels, Affen, laute Grillen und allerlei unidentifizierbare Geräusche, wärend man zwischen Luftballon- und Getränkeverkäufern einem  Yogaguru bei seinen verknoteten Handständen zusehen kann. 

Auch hier gibt es die obligatorische Bühne, ein in den Boden eingelassener Kreis mit Stufen, in dem abends getanzt oder Geschichten erzählt werden. 

Als wir aus dem Dschungel zurück kamen, bezogen wir ein anderes Hotel im Stadtzentrum, in der Calle Fitzcarraldo. Man scheint hier ziemlich stolz auf den Film zu sein. Abendessen holten wir uns am Boulevard im Restaurant Fitzcaraldo, Dschungelspieße mit gegrillten Rüsselkäfermaden und Krokodil. Im Hotel wohnen außer uns noch einige kleine Papageien, die zuverlässig am Frühstück teilnehmen.   

In Belen starteten wir mit dem Boot auf den Amazonas. Jetzt in der Trockenzeit sieht das Viertel mit seinen hohen Stelzenhäusern seltsam aus, denn sie beginnen von der Straße aus betrachtet erst im dritten Stock. Alle wohnen hoch oben und die Häuser sind über Brücken verbunden. Im Sommer ist man hier zwischen den Häusern mit Booten unterwegs. Die Hausboote direkt am Fluss liegen auch noch auf dem Trockenen. 

Die romantische Vorstellung vom abenteuerlichen Amazonas muss hier dem Bild von Armut und Umweltverschmutzung weichen. Der Itaya hat am Ufer den Müll ganzer Kontinente hinterlassen und Pablos Frau, die wir ein Stück mitgenommen hatten, musste beim aussteigen knöcheltief durch Plastikabfälle waten.

Auch auf dem Fluss schwimmt erschreckend viel Müll und in Ufernähe gibt es schwimmende Verschläge, die als Dusche und Toilette dienen, keine Kanalisation.

Leute beluden Einbaumkanus um vom Markt zurück in abgelegene Dörfer zu fahren. Viele der Kanus sind kaputt und die Kinder müssen unentwegt das Wasser raus schöpfen. Zahlreiche tote Fische lassen auf die Wasserqualität schließen und überall ziehen Aasfresser ihre Kreise.

Je weiter wir uns von den ärmeren Vierteln entfernten, um so weniger wurde auch der Müll. Trotzdem gab es noch immer gute Gründe nicht ins Wasser zu fallen, denn ab und zu begegnete uns ein häßlicher Piranha. Pablo erzählte, dass einem Freund beim Angeln der Daumen abgeknabbert worden sei. 

Von einer breiteren Stelle auf dem Itaya hatten wir einen tollen Blick auf die Skyline von Iquitos, die leider aus jeder perspektive von diesem verfallenen Hochhaus dominiert wird. Von hier kann man kaum ausmachen, wo der Fluss aufhört und die sumpfigen Wiesen der Stadt anfangen. Hier sahen wir auch die ersten Delfine, kleine schwarze, die aber schnell wieder verschwanden.  

Am anderen Ende der Stadt kamen wir durch den Hafen, voll mit Frachtschiffen, von denen viele auch die Wohnung ihrerer Besitzer und deren Familien sind, die sich gemütliche Terrassen mit Blumentöpfen und Hängematten eingerichtet haben.

Hier mündet der Itaya in den Amazonas und man kann die beiden Flüsse noch sehr weit farblich unterscheiden, bis sie sich endgültig vermischen. Vom Amazonas konnten wir kaum das andere Ufer sehen und trotz Trockenzeit hatte die Strömung einige große Baumstämme dabei. Wir ließen uns etwas treiben, denn ohne Motor stiegen die Chancen dass uns die Amazonasdelfine nicht bemerken würden. Und bald konnten wir auch schon die rosa Tiere entdecken. Neugierig schwammen sie eine Weile um unser Boot herum, bis sie flussabwärts weiter zogen.

Ein Stück flussaufwärts gibt es eine Tierauffangstation aus kleinen Stelzenhüttchen. Oben kam uns ein Mann mit einem niedlichen Affen an der Hand entgegen und während ich mich noch über den Anblick freute, riß sich der Affe schon los und kletterte zielgerichtet in Christians Gesicht. Christian versuchte ihn mehrfach vorsichtig abzuschälen, aber er klammerte sich immer wieder fest und knabberte zärtlich an seiner Augenbraue. Irgendwann gelang es Christian, den Affen vorübergehend in einen Balken zu hängen. Er nistete sich aber bald wieder auf der Schulter ein und kam mit. Als wir am Käfig des Jaguar ankamen lief er aber freiwillig zurück. 

Wir machten noch Bekanntschaft mit einem Faultier und einer Urschildkröte, bis wir zum Käfig der Anaconda kamen mit einem verängstigten Huhn in der Ecke. Die Frau, die uns durch die Anlage führte, fragte ob wir nicht etwas für die Station spenden wollen, damit sie mehr Hühner kaufen können. 

Am Eingang bekamen wir Früchte ausgehändigt und wurden sofort von allen Affen bevölkert, die hier untergekommen sind. Sie hingen an meinem Hals, schaukelten an meinem Rock und klettern an meinen Haaren hoch. Als Christian versuchte Fotos zu machen, setzte sich ein ganz kleines Äffchen auf seine Kamera. Sie waren einfach überall. Die, die nicht auf uns saßen, hingen über uns in den Balken.

Als die Früchte alle waren, ärgerte ein großer Affe einen kleineren am Boden. Ein vielleicht dreijähriges Mädchen krabbelte aus ihrer Hängematte, in einem Arm eine Puppe, nahm den kleinen Affen unter den anderen Arm und ging zurück in die Hängematte. 

Wir fuhren weiter über den Nanay auf den kurvige verwucherten Momon und verspeisten unter einem schattigen Baum den Proviant von Pablos Frau. 

Auf dem Rückweg fuhren wir durch die schmalen Kanäle über die Flutwiesen, vorbei an neugierigen Vögeln, Fröschen und Grillen, direkt zum Boulevard und legten unten an einer der Treppen an.   

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