
Hiroshima – Hirsch am Strand und Pfannkuchen
Von Atombombenschauplätzen hatten wir genug, einer reicht für ein ganzes Leben. Aber Hiroshima liegt perfekt für einen Zwischenstop zurück nach Tokyo. Außerdem hatte Charlotte uns von den besonderen Pfannkuchen erzählt, die es ausschließlich in hier gibt und dann ist da noch Miyajima. Also gut, nächster Halt Hiroshima.
Wir gingen dann doch ins Museum, denn wir wohnten nur wenige Minuten entfernt. Dort war gerade eine Baustelle und nur eine kleine Ausstellung zu sehen. Dennoch merkten wir deutlich, dass die Emotionen und damit auch die Darstellung hier eine andere sind. Die Ausstellung in Nagasaki war deutlich subtiler, transportierte Trauer und Hoffnung und den Versuch, das Geschehene friedlich zu verarbeiten. Dafür bedrückten uns die Eindrücke viele Tage. Die Ausstellung in Hiroshima ist hingegen brutal und wütend, was vielleicht auch an einem anderen Zerstörungsbild liegt. Durch die völlig flache Landschaft gibt es auf den alten Bildern nur Trümmer, so weit das Auge reicht, einzig das berühmte Gerippe des Amtsgebäudes am Rande des heutigen Friedensparks stand noch. Allerdings waren die Eindrücke auf diese aggressive Art erträglicher und hallten nicht tagelang nach.
Hinter dem Museum liegt der Friedenspark auf einer Insel zwischen zwei Flüssen und auch hier gibt es verschiedene Gedenkstätten und viele, viele Kraniche. Außerdem brennt hier eine endlose Flamme, die erst erlöschen soll, wenn die letzte Atomwaffe vernichtet wurde. Ein sehr bedrückender Ort im Park ist ein Hügel aus der Asche von tausenden unidentifizierten Opfern.
Hiroshima ist Messestadt und als wir in eine Gruppe von mehreren hundert identisch gekleideten Leuten mit identischen Batches gerieten, die aus mindestens 20 Reisebussen aussteigen, verstanden wir, warum es so schwer war, eine bezahlbare Unterkunft zu finden. Das Bild war absurd, weil die Masse aus für uns fast identisch aussehenden Personen einfach kein Ende nahm. Die Stadt hat noch einige andere Besonderheiten. Auf dem Heimweg lockten uns zwei große Roboter in eine Retro-Spielhalle, die auch ein paar der obligatorischen Ufo-Automaten hatte, allerdings mit speziellem Inhalt. Hier konnte man riesige Packungen mit Fertiggerichten und Snacks angeln, einen abgerissenen Gummiarm (ich hoffe es war Gummi) und getragene Unterwäsche.
Nun zur leckersten Besonderheit der Stadt, Okonomiyaki. Die haben hier außer der Form wirklich gar nichts mit denen zu tun, wie man sie in Nara und anderen Städten bekommt. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass sich die Menschen in Hiroshima ausschließlich von diesem Gericht ernähren und nach dem ersten Bissen dachte ich mir, warum auch nicht. Wir kamen zufällig am Okonomimura vorbei, das Pfannkuchenhaus wurde in den 50ern eröffnet und beherbergt ca. 10 Stände pro Etage auf 3 Etagen. Am Eingang gibt es eine Art Speisekarte zur Orientierung. Auf der steht aber fast nichts über die angebotenen Speisen, wozu auch. Sondern Informationen über die Köche und wie geübt sie in der Zubereitung sind. Im qualmgefüllten, ölig-glitschigen Treppenhaus muss man sich erstmal für eine Etage entscheiden und dann für einen Stand in dem verwinkelten Gang. Wir suchten uns einen Stand mit älteren Köchen aus, der gut besetzt war, stellten aber bei einem anderen Besuch fest, dass die Beliebtheit der Stände variiert und scheinbar alle ganz gut sind. Einige Köche sind hier schon drin, seit das Haus gebaut wurde und die tiefsten Fettschichten an Wänden und Boden wohl auch.
Jeder Stand besteht aus einem riesigen Tepanyaki mit vielen kleinen Hockern davor. Zu jedem Hocker gehört noch ein Körbchen für Jacken und Taschen. Die Schuhe kann man hier beim Essen anbehalten. Ungefähr 10 Personen können gleichzeitig an der Platte sitzen.
Das Haus ist weniger besonders als wir anfangs dachten, denn auch die Foodcourts im Bahnhof und in den Einkaufszentren verkaufen fast ausschließlich Pfannkuchen. Einheitliches Essen für einheitliche Messegäste.
Nun zum Pfannkuchen, die Grundlage sind Nudeln und ein paar winzige Variationen gibt es doch. Man kann zwischen Soba und Udon wählen und des Gericht mit oder ohne Ei haben und mit Krabben oder Bacon oder beidem. Erstmal kommt ganz dünn Pfannkuchenteig auf die Platte und wird zu einem Kreis verstrichen. Vermutlich dient der Teig nur der Formgebung und stabilen Basis, denn zehn Minuten später ist er im fertigen Gericht nicht mehr auszumachen. Der Okonomiyaki wird immer wieder gewendet und die nächste Zutat wird von unten hinzugefügt. Einen Berg aus lose aufeinander liegenden Leckereien unbeschadet umzudrehen oder weiter zu stapeln ist also der Hauptskill in der Zubereitung. Auf dem dünnen Teig wird als nächstes ein Berg aus Kohl, Sprossen und Gewürzen angehäuft, dann kommen Garnelen und Tintenfisch oben drauf und eine Schicht Bacon und zwischendurch immer mal Öl, dann kurz braten und wenden. Bis der Kohl zusammen fällt, werden die Nudeln zu einem kreisförmigen Paket gebraten. Dann wird das Kohl-Baconpaket daraufgehoben und gewendet. Nun kommt ein Ei auf die Platte, wird kreisförmig verschmiert und alles wird auf dem Ei gestapelt und wieder gewendet. An der der Stelle kann auch noch eine Schicht geschmolzener Käse oben drauf. Nun noch Mayonnaise, die typische Okonimiyakisoße, Gewürz und Bonito und schon wird das Teil auf der Grillplatte zum Gast geschoben, der mit einem kleinen Schaber und Stäbchen ausgestattet übernimmt. An manchen Ständen gab es aber auch Teller, dazu die übliche Thermoskanne mit Eiswasser und ein Bier. Wir teilten uns erstmal einen Pfannkuchen mit Udon und zogen dann zum nächsten Stand weiter um einen mit Soba zu probieren. Beides lecker, morgen wieder.
Die Hauptsehenswürdigkeit Hiroshimas liegt etwas außerhalb am Meer auf der Insel Miyajima und so machten wir uns am nächsten Morgen mit der Straßenbahn auf den Weg zur Fähre. Bald kamen wir durch hübsche, beschauliche Vororte mit alten Einfamilienhäusern, etwas Stadtauswärts wurden jedoch die Schienen immer schlechter und wir wurden ziemlich durchgeschaukelt, nichts für einen empfindlichen Magen.
Die Insel war früher heilig und durfte nicht betreten werden, aber um in den schwimmenden Schrein am Strand zu kommen, musste man ja dennoch irgendwie durch ein Tor. Deshalb wurde das Tor einfach ins Meer gesetzt und konnte mit Booten durchquert werden. Nun sieht es aus, als würde es auf dem Wasser schweben und bei Ebbe kann man hindurchlaufen. Mit dieser Postkartenansicht kamen wir auch mit der Fähre auf der Insel an. Vom Fähranleger kommt man dann über einen kleinen Weg mit Geschäften und Restaurant am Meer entlang zum Schrein. Hier gibt es unglaublich viele Hirsche, die sich am Strand sonnen oder im Schatten der Läden ausruhen. Ab und zu schleicht auch einer durch die Tür eine Geschäftes und versucht etwas leckeres abzugreifen. Die Hirsche am von Steinlaternen gesäumten Strand sind ein seltsamer Anblick und lassen diesen Ort noch unwirklicher erscheinen, als er sowieso schon ist.
Der riesige Schrein schwimmt komplett auf dem Wasser und wir kamen gerade noch rechtzeitig, bevor er bei Ebbe im Schlamm lag. Zu einer Hälfte besteht das Bauwerk aus sonnigen Terrassen, zur anderen aus großen Hallen mit Blechlaternen, es gibt sogar ein No-Theater darin und natürlich sind die Hirsche auch hier überall. Für ein Foto vor dem Shreintor stellten wir uns in der ordentlichen japanischen Schlange an.
Danach setzten wir uns an den Strand unter die knorrigen Kiefern, um das unwirkliche Tor noch etwas zu betrachten, bis wir Lust auf ein Eis bekamen und in das nahegelegene Dörfchen weiterzogen. Wir fanden kein Eis, nicht mal einen Eisautomaten, entdeckten aber durch einen verwucherten Holzzaun einen Garten mit Teehaus, also fast noch besser. Auf der Suche nach dem Eingang stellten wir fest, dass das Teehaus ein Museumscafe war und schauten uns in dem hübschen alten Holzhaus mittelalterliche Werkzeuge und Kostüme für Umzüge an, bevor wir zum Tee auf die wunderbare Gartenterrasse zwischen bunten Schmetterlingen kamen. Bei einem Film erfuhren wir noch einiges über den komplizierten Bau des Schreins, ein Meisterwerk.
Auf dem Rückweg zum Dorf bot sich uns eine weitere Bilderbuchansicht, über dem idyllisch am Hang gelegenen Örtchen erhebt sich die hohe Pagode zwischen den Kiefern und unten am Bach liegen die Hirschen am schattigen Wasser. Wir hatten langsam Hunger und was gab es wohl im ersten Restaurant das wir fanden? Hier kommt der Okonomiyaki an einem langen Holztresen im Pfännchen.