
Ennis und Loop Head – einsame Klippen und ein versteckter Pub
Auf Empfehlung unserer Tischnachbarn im letzten Pub fuhren wir Richtung Süden, nach Ennis, einer Kleinstadt an der Mündung des Shannon. Ennis ist ein etwas verschlafenes Städtchen, genau das richtige nach dem Touristentrubel in Doolin. Hier kann man gemütliche Spaziergang durch lange bunte Gassen, grüne Parks und am Fluss entlang genießen. In der ganzen Stadt gibt es außerdem Skulpturen zu bestaunen und natürlich Straßenmusiker. Zum Glück ist der Ort nicht groß, denn in den verwinkelten Gassen verliefen wir uns immer wieder.
Wer hätte es ahnen können, Ennis ist wie alle irischen Städte der perfekte Ort für einen Besuch im Pub.
Für einen ruhigen Abend entdeckten wir das John o´Dea und hätten diesen Laden beinahe verpasst. Von außen war es dunkel und ich versuchte nur aus Reflex die Tür zu öffnen, weil wir schon direkt davor standen. Die Tür ging überraschend auf und wir standen in einem dunklen Raum, der an einen alten Tante Emma Laden erinnerte. Eine alte Kasse auf der Theke und Holzregale, es gab aber keine Waren darin. Kein Licht, keine Menschen und auf keinem Fall einen Pub.
Etwas verwundert wollten wir uns gerade umdrehen und gehen, als eine Frau hinter der Theke erschien, Anna, wie wir später erfuhren. Immernoch verwundert und mehr, weil wir schon so deplatziert in diesem seltsamen Raum standen, fragten wir nach dem Pub. Ja, das sei ein Pub, Guinness gäbe es im Raum nebenan, der scheinbar direkt ans Wohnzimmer des Besitzers grenzt. Nach dem ersten Guinness sprach uns ein Mann an der Theke an. Er hieß Tom, war so um die 80, sprach etwas Deutsch und freute sich als er uns gehört hatte, dass er es mal sprechen konnte. Im Gegenzug brachte er uns noch ein paar weitere Worte Irisch bei.
Später kam John o´Dea und fragte wo wir überall gewesen seien. Wir erzählten auch von unserer Zugfahrt und mussten uns daraufhin von den beiden 80 jährigen erklären lassen, das Zugfahren ja wohl total unpraktisch wäre. Wir sollten für den Rückweg lieber online ein Ticket kaufen. Busfahren sei super, denn im Bus gäbe es Wlan.
Tom bestellte sein zweites und letztes Guinness als “für die Tür” und bekam von John zur Antwort, dass sich auf der anderen Straßenseite die Tür eines anderen Pubs öffnen würde, wenn er diese schließt. Wir bekamen diese Kurzfassung dieser Lebensweisheit von Anna aus dem Irischen übersetzt.
Ganz in der Nähe, hinter dem Dörfchen Kilkee gibt es spektakuläre, kaum besuchte Klippen an einer schmalen, langen Landzunge, Loop Head. An einigen Stellen ist der Fels so schmal, dass wir schon aus dem Auto zu beiden Seiten das Meer sehen konnten.
Wir ließen uns vom Leuchtturmwärter Steven seinen Arbeitsplatz zeigen, was für eine Aussicht. Das Gras auf der Landzunge ist wellig wie das Meer, ein Streifen saftig leuchtendes Grün von dunklem Fels eingerahmt, zwischen dem endlosen tosenden Wasser.
Steven erzählte uns, dass er heute nicht mehr viel zu tun hat, das meiste funktioniert automatisch. Früher jedoch musste der Leuchtturm noch alle paar Stunden mit einem riesigen Pendel aufgezogen werden, auch tagsüber, damit sich die Sonne nicht auf der gleichen Stelle eingebrannte.
Wieder unten suchten wir uns einen Platz am Meer, in einer völlig verwinkelten Felsbucht. Von allen Seiten prallten die tosenden Wellen auf das kantige Landstück, überspülten die unteren Teile und gluckerten durch kleine Höhlen. Nachdem wir unendlich lang diesem hypnotisierenden Schauspiel zugesehen hatten, fiel uns wieder ein, dass wir zum Wandern hier waren. Der schmale Pfad an den Klippen entlang führte direkt vor unserer Nase vorbei, also los. Der weiche Grasteppich war übersät mit duftenden rosa Wildblumen und alle paar Meter bot sich uns ein neuer spektakulärer Anblick. an manchen Stellen sind die Klippen so ausgespült, dass ganz schmale Landstückchen allein stehen geblieben sind, als hätte jemand die Landschaft mit einem Messer zerschnitten. Auf den abgeschnittenen Teilen fühlen sich die Möwen scheinbar besonders wohl.
Ein anderer Möwenspot ist das kleine Stück zwischen Leuchtturm und Meer. Hier war der Wind besonders stark und hunderte Tiere saßen mit ausgebreiteten Flügeln am Boden um sich immer wieder vom Wind hochheben und wieder fallen zu lassen.
Auf der anderen Seite ragen die Klippen wie dünne lange Finger ins Wasser und an einigen Stellen sind sie so stark unterspült, dass die Wiese nur auf Pfeilern im Meer steht.
Etwas weiter fanden wir einen kleinen Bach, den wir über Moosbewachsene Stämme mit noch mehr Wildblumen überquerten.
Auf halber Strecke trafen wir eine aufgeregt Frau.Sie kam winkend auf uns zu und fragte, ob ihr Kollege ein paar Fotos von uns machen könnte. Sie seien von der Irish Times und wollen einen Artikel über Loop Head schreiben. Sie hätten gedacht, der Ort sei ein beliebtes Touristenziel, würden nun aber schon länger auf Leute warten, die sie interviewen könnten. Nach einem kurzen Interview platzierten sie uns auf den Klippen mit Blick aufs Meer.
Weil wir uns immer wieder ins Gras legten und die Ausblicke so ausgiebig genossen, waren wir für 3 km schließlich fast vier Stunden unterwegs.
Wir ließen den Nachmittag auf der kuscheligen Wiese ausklingen, so weich wie ein dicker Teppich, zwischen Blumenduft, rauschendem Meer und dem sanften Wind über dem Gras war es schwer sich irgendwann von diesem herrlichen Ort loszureißen.
Am nächsten Tag besuchten wir die Ruine des o´Dea Castle. Ob die wohl der Familie von John o´Dea gehört? Die Straße zur Ruine führt durch einen grünen Tunnel aus Bäumen und es gibt einen Wald in der Nähe. Bäume sind in Irland ja eher eine Seltenheit.
Das Schloss steht einladend auf einer Lichtung und von hier startet ein kurzer Rundweg zu weiteren Ruinen.
In einem alten Garten mit riesigen Bäumen entdeckten wir ein von Efeu überwuchertes Haus mit einem kleinen Bach, ein märchenhafter, idyllischer Ort. Der Weg führte weiter über eine Mauer auf eine Kuhweide. Kauend beobachteten uns die Kühe und während ich erklärte, dass man hier aufpassen müsse nicht in einen Kuhfladen zu treten, trat ich knöcheltief in einen riesigen Kuhfladen. Ich dachte, er sei ein sicherer großer Stein.
Später erkundeten wir das weitläufige Umland noch mit dem Auto, denn wir konnten uns an der Gegend nicht sattsehen.
Wir wollten auch diesen Abend im Pub ausklingen lassen und besuchten das Cruises in einer alten Lagerhalle am Fluss. Gerade fand noch ein Session statt, jemand spielte Super Mario Musik auf dem Akkordeon. Eigentlich hatten wir uns nur ein schnelles Guinnes vor der Sperrstunde versprochen, aber nach der Session trug jemand Boxen herein. Hier ging es also scheinbar noch länger und weil wir schon mal da waren, blieben wir. Der Pub füllte sich erst und es gab noch Musik bis halb zwei und eine kurze Prügelei.