Benje und Gjirokastra – heiße Quellen und steile Gassen

Benje und Gjirokastra – heiße Quellen und steile Gassen

Bald erreichten wir das Vjosa Tal, ein traumhafter blauer Fluss zwischen grünen Wiesen und steilen Bergen. Wir überquerten den Fluss und schlängelten uns mit ihm hinauf in die Berge. Mal plätschert das Wasser seicht durch ein felsiges, weißes Flussbett, manchmal donnert es durch scharfkantige Schieferschluchten zwischen grünen Feldern. Eine Aussicht war schöner als die andere. Fürs Straße blockieren sind hier mehr Pferde und Esel zuständig, die dabei weniger gewissenhaft sind als die Kuhherden. Unterwegs wurden wir in ein als Bunker getarntes Käsegeschäft gelockt. 2 Sorten Käse gab es hier, Schaf oder Ziege, wir nahmen Ziege und Honig und freuten uns auf das nächste Frühstück. 

Das gab es auf dem vermutlich schönsten Campingplatz des Landes. Unscheinbar in einer Kurve zweigte ein löchriger Weg nach unten zum Fluss ab und wieder waren wir mitten im Nirgendwo. Eine kleine Hütte, ein Gärtchen und ein unglaubliches Panorama aus Wasser und Bergen. Zwischen kleinen Olivenbäumchen machten wir es uns gemütlich und bestaunten, wie die Sonne hinter den Bergen verschwand. Ein Tor gibt es hier nicht und so galoppierte auch mal ein Pferd am Auto vorbei. 

Abends öffnete ein gemütliches Restaurant mit Kissen und Fell an langen Tischen und den leckersten Ziegenkottlets. Alles kommt hier frisch vom eigenen Bauernhof. Die Anlage teilt man sich mit der Familie, der Bauernhof und Campingplatz gehören, auch die einzigen zwei Bäder und die traditionelle Spülstelle, eine ummauerte Quelle. Beim letzten Platz dachten wir noch, das sei etwas besonderes, nun wissen wir, es ist so üblich, dass die Betreiber selbst auf dem Platz wohnen und rund um die Uhr jemand da ist. Diese Familie hatte z.B. einfach ein großes Zelt hinter dem Restaurant und mittendrin noch ein kleines im Schatten, für den Mittagsschlaf des kleinen Sohnes. 

Später brannten überall Lagerfeuer, am Fluss wird es schnell kühl. Dennoch war es dunkel genug, um tief in den Sternenhimmel zu gucken.  

Nach dem leckeren Bunkerkäse und Honig Frühstück machen wir uns auf den Weg zur Kadiut Brücke für eine Wanderung. Direkt an der Brücke gab es auch mal einen Campingplatz und wir wunderten uns, warum diese, ebenfalls traumhafte Lage verlassen wurde. Oben angekommen, sahen wir den Grund. Unterhalb der Brücke waren bereits die Bagger am Werk, um das Wasser der Vjosa für die zahllosen Pauschalhotels an der Küste, unterirdisch abzuleiten. Das kommt hier alles weg.

Aber noch ist es da und wir beeilten uns, zwischen Baggern und den Bussen, die nach und nach von den Hotels für einen kurzen Besuch der Brücke und den darunter liegenden heißen Quelle angekarrt wurden, in die Berge zu entkommen. Hinter der Brücke beginnt die Lengarica Schlucht und für uns ging es erstmal steil hinauf zu den schönsten Aussichten. Bald ging es oben an der mehrere hundert Meter tiefen Schlucht entlang, dann durch den Kiefernwald, wo wir einige Schlangen aufschreckten. Zum Glück kennen wir die Schlangenwanderregeln, niemals irgendwo drübersteigen, sonst hätte der Urlaub ein schnelles Ende genommen. Eine schmale Brücke ohne Geländer führte uns über eine andere tiefe Schlucht. Eigentlich hatten wir am Ende mit weiteren heißen Quellen gerechnet, fanden aber stattdessen ein Kraftwerk und einen spektakulär schmalen und tiefen Teil der Lengarica Schlucht.     

Die heißen Quellen wollten wir aber doch und als wir zurück kamen, waren die Bagger fertig und wir setzen uns in das warme Becken unter der Kadiut Brücke.

Auch unten bei uns war der Fluss badetauglich und ganz warm von den Quellen, aber wir wollten doch noch etwas in den gemauerten Becken garen, also fuhren wir am nächsten Tag wieder nach oben. Als uns das große Becken zu voll wurde, legten wir uns in ein kleineres direkt im Fluss, wo Fische an unseren Füßen knabberten. Unter der Brücke kann man durch den Fluss tief in die Schlucht hinein wandern. Wir stapften durchs Wasser und arbeiteten uns Becken für Becken vor. Manchmal war das Wasser flach und wir konnten über den ebenen Kiesboden laufen, aber es gibt auch tiefe Stellen, mit glitschigen Steinen und starker Strömung. Mitten im Fluss wachsen einzelne Bäume. Auf der anderen Flussseite gibt es einen trüben Pool mit Schwefel, der uns allerdings schnell zu glitschig wurde. Zwischen den steilen Felswänden tauchen immer wieder kleine Becken mit unterschiedlich warmem Wasser auf und bei jeder Quelle ändert der Fluss Farbe und Temperatur. Am besten gefiel uns ein Becken mit Wasserfall und einer kleinen Felshöhle, das direkt an die Brücke gemauert wurde. Von hier konnten wir entspannt das Treiben in der Schlucht und auf der geländerlosen Brücke beobachten und die Bagger waren weit weg.    

Fertig eingeweicht verließen wir das traumhafte Tal und fuhren in die nächstgrößere Stadt, Gjirokastra, eine ganz andere Welt. Naja, ganz so anders auch nicht, erstmal mussten wir warten, bis ein Schäfer seine Herde über die Straße getrieben hatte. Wir wollten zu Fuß in die Altstadt. 1,5 km, wie lang kann das schon dauern? Lange, die Serpentinen wurden wohl erst nach dem Bau dieser Stadt erfunden, bei jedem Schritt mussten wir aufpassen, auf dem glitschigen Pflaster nicht zwei zurück zu rutschen.  

Dafür entschädigten uns die traumhaften Ausblicke in jede Richtung, denn Gjirokastra ist auf nicht nur einem Berg gebaut. Hoffentlich laufen wir zum Basarviertel den Richtigen hoch. Überall an den Hängen stehen die typischen, schiefer gedeckten Häuschen und in der Dämmerung herrschte bald eine seltsame Stimmung, denn die Straßenlaternen werden erst eingeschaltet, wenn es komplett dunkel ist.   

Oben angekommen machten wir uns erstmal weiter mit der albanischen Küche vertraut und verspeisten eine gemischte Platte mit Aufläufen und Reisbällchen unter gemütlichen Weinreben.   

Nochmal unternahmen wir den Anstieg nicht, am nächsten Morgen nahmen wir ein Taxi ganz nach oben zur Burg und arbeiteten uns von dort nach unten. Nur welches Unten, wollte gut geplant sein. Erstmal verbrachten wir aber viel Zeit auf der Burg. Kurz hinter den dicken Mauern geht es direkt auf das riesige Dach mit wahnsinns Rundumblick auf die endlosen Bergketten in der Ferne und auf die Hügel und Schluchten der Stadt. Von hier sieht man, wie die Stadt einfach den Bergen angepasst wurde, die Schieferdächer haben von oben betrachtet die seltsamsten Formen, so wie es der Fels gerade hergab. Dazwischen finden sich aber auch immer wieder die typischen, großen, alten Doppelflügelhäuser. Durch eine überdimensionale, von Kanonen gesäumte Galerie, kommt man auf die andere Seite, in der ebenfalls riesigen Burggarten und von hier in mehrere finstere Keller und Gänge und zum Glockenturm. 

Auf dem Weg nach unten gibt es überall Stände mit Kräutern, Marmeladen und Handarbeiten. Einige Häuser werden von großen, verwitterten Plüschtieren beschützt. Wir steuerten wieder das Basarviertel an, um uns weiter durch die albanische Küche zu probieren, gefülltes Gemüse, Käse, in Sirup getränkter Zitronenkuchen. Dann schlenderten wir etwas durch die Souvenirläden, wo es hauptsächlich wirklich schöne, handgewebte Teppiche, Decken und Kissen mit traditionellen Mustern gibt. 

Wir wollten eines dieser Doppelflügelhäuser besichtigen und entschieden nach Lage im Gelände. Die Wahl fiel auf das Sklenduli Haus, ganz ohne Bergauf kamen wir aber auch dort nicht hin. In dieser Stadt kommt man nirgendwo hin ohne bergauf zu laufen, nicht mal nach unten.

Einst die Häuser reicher Familien, können sich heute nur noch wenige überhaupt die Instandhaltung leisten und so fanden wir das Sklenduli Haus in einer verfallenen Seitengasse. Ein Junge kassierte Eintritt, die Oma verkaufte Souvenirs, so wird das Haus als Museum finanziert. Schon im Hof entdeckten wir die alten Malereien an der Fassade, unter dem verwitterten alten Holzdach. Die Front ist offen, schattig aber mit weiter Sicht und auf der Rückseite ist jedes Zimmer an die Zisterne angebunden. Im oberen Stockwerk befindet sich eine Terasse mit weitem Blick auf die Berge. In allen Zimmern gibt es Kamine und gemauerte Sofas mit flauschigem Fell, dazwischen aber auch noch Möbel und Zeitschriften der letzten Bewohner aus dem 50ern, zusammen ein seltsamer Eindruck. Viele Zimmer haben wundervoll geschnitzte Decken oder leuchtende bunte Fenster. In der Diktatur wurde die Famile enteignet und das Haus als Ethnographisches Museum genutzt, das befindet sich jetzt nebenan, im Geburtshaus von Enver Hoxa. 

Als wir gehen wollten, kam uns eine Frau entgegen und fragte, ob sie uns noch das Hochzeitszimmer zeigen sollte. Das größte Zimmer war den Männern vorbehalten, die Frauen feierten getrennt, nur die Braut durfte mit rein. Wie in allen anderen Zimmern gibt es noch eine Empore, hier war sie verglast und den unverheirateten Frauen vorbehalten, um den Männern beim feiern zuzusehen und den zukünftigen Ehemann zu besichtigen. 

Nach der kurzen Führung empfahl sie uns, noch das Ethnografische Museum zu besuchen. Dort gab es noch die passenden Möbel und Kleidung zu sehen. Anschließend hatten wir Lust auf ein Korca und wählten das Restaurant mit dem größten Schutzkuscheltier und der besten Aussicht. Dann machten wir uns auf den steilen Weg nach unten und entdeckten immer wieder Ziegen und Schafe, die zwischen den Wohnblocks grasten. 

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