DMZ – Propaganda und Ginseng

DMZ – Propaganda und Ginseng

Heute besiegten wir den Jetlag. Kurz vor sieben mussten wir an der Stadthalle sein, um in den Bus zur Nordkoreanischen Grenze zu steigen. Richtung Panoramabergblick verließen wir die Stadt.

Während der einstündigen Fahrt in die Berge versorgte uns unser Guide mit einer Portion trauriger, aber super interessanter Geschichte in Kurzform. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das zuvor von den Japanern besetzte Land im Süden von den USA und im Norden von Russland besetzt. Nordkorea versuchte eine gewaltsame Wiedervereinigung und drang zunächst bis nach Busan vor, wurde aber dann durch das Eingreifen der USA bis zur heutigen Grenze zurückgedrängt. Neben Millionen Todesopfern wurden zahllose Familien für immer auseinandergerissen. Es gab in den 50ern einen Waffenstillstand, aber bisher keinen Friedensvertrag. Theoretisch befinden sich Nord- und Südkorea also weiterhin im Krieg. 

Den ersten Stop legten wir zwischen Reisfeldern und kleinen Dörfern ein. Hier unternahmen wir eine kleine Wanderung auf eine Anhöhe am Gamaksan. Der umliegende Wald war Schauplatz einer entscheidenden Schlacht, von der noch ein paar versteckte Bunker zeugen. Bunte Plastikfiguren, wie ein irre guckender Hirsch, ein musikalisches Eichhörnchen und überdimensionale Fliegenpilze, sollen die Atmosphäre scheinbar etwas auflockern, machen aber eher einen gruseligen Eindruck.

Oben erwartete uns die 220 Meter lange Gamaksan Hängebrücke, in fast 700 Metern Höhe soll sie starken Erdbeben und Stürmen standhalten. Na hoffentlich. Nach ein paar Schritten hatten wir uns an das Schaukeln über dem Abgrund gewöhnt und genossen den Ausblick auf die tiefe, von Pinien eingerahmte Schlucht und die umliegenden Berge, gespickt mit Tempeln und Pagoden. In der Ferne waren permanent Schüsse zu hören, nordkoreanisches Drohgebahren. 

Mit dem Bus fuhren wir weiter zum Imjingak Park. Hierher kommen zu Neujahr und Chuseok, dem koreanischen Erntedankfest, Familien mit nordkoreanischen Wurzeln, um ihre Herkunft zu würdigen, eine konfuzianische Tradition. Für alle Provinzen wurden symbolische Altarsteine aufgestellt. Außerdem gibt es im Park zwei Denkmäler für die koreanischen Mädchen, die während des Zweiten Weltkriegs von Japan verschleppt, versklavt und getötet wurden. Kopien der Statuen stehen in der ganzen Welt, auch in Berlin. 

Hinter dem Park liegt der Hangan, der Fluss dient hier als Teil der Grenze, und eine zerstörte Eisenbahnbrücke. Die letzte Lok, die die Brücke überquerte, gibt es auch noch, sie ist natürlich total verrostet. 

Eine Wand mit alten Fotos erzählt verschiedene persönliche Geschichten, wie die des Hyundai Gründers, der als Flüchtling mit Hilfe einer gestohlenen Kuh nach Südkorea kam und später 1000 Kühe an Nordkorea verschenkte, um noch einmal in seine Heimat zurückkehren zu können. Dafür ließ er extra eine Brücke bauen, über die wir später noch mit dem Bus fuhren.

An einem Kiosk gibt es nordkoreanisches Geld, das alte und das neue. Vor einigen Jahren wurde in kürzester Zeit alles Geld getauscht. Damit wurden die Leute gezwungen, alle ihre Ersparnisse unter der Matratze rauszurücken. Sie bekamen nur 10% davon in neuem Geld zurück. 

Mit der Seilbahn kamen wir der Grenze noch ein Stück näher. Die Gondel fährt über den Grenzfluss und zwei Zäune mit Wachhäuschen, ein seltsamer Anblick. Vor allem bot die Fahrt aber eine wunderschöne Aussicht auf die umliegende, weite Landschaft.

Etwas skurril ist der kleine Rummel auf dem Parkgelände, mit Riesenrad und Schiffschaukel und der angrenzende Campingplatz. Das Grenzgebiet ist beliebt für Familienausflüge und so ist für jeden was dabei. 

Kurz nach der Brücke für die Kühe beginnt das militärische Sperrgebiet, zu erkennen an einer blauen Linie auf der Straße. Ein Soldat ging durch den Bus und kontrollierte die Pässe. 

Ein von den Nordkoreanern gegrabener Invasionstunnel war unser nächstes Ziel. Drei Tunnel wurden bisher entdeckt und gesprengt, um die 30 werden vermutet. Gruselig, vor allem wenn man bedenkt, dass die Tunnel bis nach Seoul führen sollten. Unterwegs wurden wir immer wieder darauf hingewiesen, dass wir auch draußen bleiben könnten, denn man muss erstmal 300 Meter nach unten, die man dann auch irgendwie wieder hoch muss. Der Tunnel selbst ist ca 250 Meter lang, aber stellenweise nur 1,5 Meter hoch, eng und feucht. Mit Helm ausgestattet liefen wir die Rampe hinunter, vorbei an keuchenden, jammernden Leuten, die schon auf dem Rückweg waren. Ja, das waren nicht nur 300 Meter Aufstieg, es war dazu noch heiß, feucht und stickig dort unten. Die 250 Meter unten musste Christian komplett gebückt zurücklegen, ich fand manchmal eine Lücke, in der ich kurz meinen Kopf hoch strecken konnte. Am Ende des Tunnels blickten wir durch ein Loch auf eine mit Farn bewachsene nordkoreanische Betonwand. Hier standen wir genau unter der Grenze. Dann ging es auch für uns an den Aufstieg. Oben steht eigentlich ein kleines Bähnchen bereit, um Besucher hoch und runter zu bringen, aber wegen der Feuchtigkeit funktioniert die Stromversorgung nicht gut. 

Unten sind keine Fotos erlaubt, genau genommen ist unten garnichts erlaubt. Handys, Pässe, Geld und Mützen, alles mussten wir oben wegschließen. Dafür gibt es oben ein nachgebautes Tunnelende aus Plastik.      

Wieder an der Oberfläche, ging es weiter zum Dora Observatorium, einem der Aussichtspunkte auf Nordkorea. In einer Art Kinosaal, mit Panoramafenster statt Leinwand, erklärte uns der Guide, was es wo zu sehen gibt. Direkt am anderen Flussufer liegt das nordkoreanische Propagandadorf. Die Häuser haben entweder garkeine oder aufgemalte Fenster und keine Böden, aber täglich werden Leute mit Bussen dorthin gekarrt, um ein belebtes Dorf zu simulieren. Daneben steht die Nordkoreanische Fahnenstange und direkt gegenüber die südkoreanische. Die nordkoreanische ist höher, eine Zeit lang gab es einen Wettstreit um die höchste Flagge, bis Südkorea keine Lust mehr hatte. Mit dem Fernglas konnten wir uns alles von der Dachterrasse aus ansehen. Wegen eines Ballons mit vollgekackten Babywindeln, der als Rache für Bilder der nordkoreanischen Grenzregion nach Seoul geschickt wurde, sind auch hier leider keine Fotos mehr erlaubt. 

Südkorea hat auch ein Propagandadorf, Tonglichon, aber sie nennen es Reunification Village. Dieses ist allerdings tatsächlich bewohnt. Hier leben die reichsten Bauern des Landes und bauen hauptsächlich Ginseng an. Für ein sehr sehr hohes Einkommen sind die Bewohner verpflichtet, mindestens acht Monate im Jahr in diesem Dorf zu verbringen. Abends herrscht ab zehn Uhr Ausgangssperre. Hier zu leben hat aber neben dem Geld noch einen weiteren Vorteil, es ist der einzige Weg, dem Militärdienst zu entgehen. Schicke, teure Einfamilienhäuser reihen sich in den Straßen, davor stehen Traktoren und LKW.

Gerade rechtzeitig vor der Rushhour schafften wir es zurück nach Seoul. Später fuhren wir noch mal zum Gwangjang Markt. Anschließend holten wir uns Getränke im Convenience Store und machten einen Spaziergang am Cheonggyecheon Fluss, einer kleinen Oase mitten in der hektischen Großstadt. Ein paar Meter unter der Straße plätschert das Wasser zwischen Weiden und kleinen Sträuchern. Über Steine kann man den Bach hier und da überqueren. Mit einer Flasche Makgeolli ließen wir den Abend an diesem idyllischen Ort ausklingen.     

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