
Neapel – Pizza, Puppenteile und Mopedchaos
Die Altstadt von Neapel, das ist ein verworrenes, schummriges Labyrinth aus schmalen Gassen mit endlos hohen Häusern und ohne Sonnenlicht. Und Achtung, Moped, möpmöp, Mopedlaster, oh ein Auto, wie passt das denn hier durch. Schnell muss man jedenfalls sein, sonst kann der Spaziergang böse enden. Zum Glück waren Mitte Mai noch nicht so viele Touristen unterwegs und genug Platz zum Ausweichen.
Einige Gassen sind ganz schön spezialisiert, zum Beispiel auf Geigenbau oder Weihnachtskrippenfiguren, davon reiht sich dann ein Laden an den anderen. Und besonders die Weihnachtskrippenstraße, Via San Gregorio Armeno, hat nochmal spezialisierte Läden. Hier gibt es auch geschnitzte Fußballspieler und Politiker, aber auch Geschäfte für die Krippeninneneinrichung, wie Lampen, Stühle, Teller usw.
Dann gibt es natürlich überall Pizza und Aperitivo und süßes, leckeres Gebäck, wie diese riesigen, umgestülpten Windbeutel mit Amarenakirsche oder Sfogliatelle. Das beste Exemplar dieses Blätterteiggebäcks fanden wir allerding bei uns in Chiaia, in einer alten Konditorei.
Die Sehenswürdigkeit, die mich am meisten beeindruckte, hatten wir schon lange im Voraus gebucht, zum Glück, denn die Ticketschlange wies mir schon Gassen vorher den Weg. Die winzige Kapelle Sansevero beherbergt den verhüllten Christus. Die liegende Marmorstatue sieht aus, als wäre sie mit einem durchsichtigen Tuch bedeckt, aus Stein. Als ohnehin großer Marmorfan, hätte ich sie den ganzen Tag betrachten können. An den Seiten gibt es noch zwei ähnlich beeindruckende Statuen, eine weitere mit durchsichtigem Schleier, die Keuschheit, und die Enttäuschung, mit einem feinen Netz überzogen.
Die Kapelle selbst gehörte dem Prinzen Raimondo di Sangro, der als Wissenschaftler selbst die Farben für die Fresken der Kapelle mischte. Nach über 300 Jahren, strahlen diese noch wie frisch gestrichen. In der Krypta befinden sich zwei menschlich wirkende Ausstellungsstücke, von denen lange geglaubt wurde, dass sie aus getöteten Dienern hergestellt wurden. Tatsächlich sind es aber detailgetreue Nachbildungen der menschlichen Gefäße aus Wachs und Draht.
Als ich von hier aus weiter durch die Gassen der Altstadt flanierte, entdeckte ich immer wieder schöne Innenhöfe, mit Treppen, Balkonen und oft dicken Matten aus duftendem Blauregen. In einem davon lockte mich ein Schild in eine Puppenklinik. Nichtsahnend kaufte ich eine Eintrittskarte und landete in einem Raum voll mit Köpfen, Beinen und Augen und sah in einem düsteren Puppentheater einen Film über die Geschichte des Unternehmens. Angeblich schicken Leute aus aller Welt ihre alten Erinnerungsstücke zur Restaurierung hier her. Das kleine Museum hatte eine seltsam geheimnisvolle Atmosphäre.
Am nächsten Tag wollte ich mir Neapel von oben ansehen und entschied mich für das Castel Sant’Elmo, wo ich mit der Standseilbahn fast bis ganz nach oben fahren konnte. Das letzte Stück zu Fuß durch die Burg zog sich dann aber doch noch, denn die ist einfach riesig. Breite Gänge führen wie ein Schneckenhaus nach oben in den riesigen Hof und auf die Burgmauer. Von hier gibt es einen Panoramablick über die gesamte Region, vom Vesuv bis zu den Hügeln der Phlegräischen Felder. Zwischen Burg und dem Meer liegen die Villen von Chiaia, Wohnblocks in die andere Richtung und dazwischen die Altstadt. Von hier sieht man nochmal richtig deutlich, wie unglaublich dicht die Stadt bebaut ist, zwischen den Häuserzeilen sind kaum Straßen zu erkennen.
Zum weiten Blick über die Bucht passte perfekt ein Spritz.
Am Fuße der Standseilbahn beginnt das Spanische Viertel und dessen Zentrum ist ein riesiger trubeliger Markt, der sich die halbe Via Toledo hinunter zieht, bis diese zur breiten Einkaufsmeile wird. Überall werden Fische und frische Meeresfrüchte brüllend zum Verkauf angeboten und hier und da auch verzehrfertig zubereitet. Es gibt aber auch seltsame Stände mit wasserbetreufelten Innereien. Dennoch entschied ich mich nach dem langen Vormittag lieber für ein gemütliches Restaurant.
Auf einer Seite der Hauptstraße zweigen steile Treppen zu schmalen Gassen ab und irgendwie gibt es auch hier Mopeds und kleine Autos. Hier liegt der Graffiti-Hotspot der Stadt.
Weiter unten, wo die Straße zur langweiligen Einkaufsmeile wird, entdeckte ich die relativ neue Galerie d`talia in einem alten Bankgebäude. Ein goldner Gang führte mich zu den Gemälden und Skulpturen, die gut beleuchtet in kleinen dunkel gestrichenen Räumen ausgestellt waren, die irgendwie containerartig in das Gebäude eingebaut sind. Viele Gemälde zeigen Szenen auf der Via Toledo selbst. Zum Gesamtkonzept gehören außerdem das passende Raumparfum und Musik. Bei den klassischen Gemälden lief eine Oper, in den Räumen mit Pop Art Kunstwerken, Italo Pop. Mittendrin gibt es noch ein eingerichtetes altes Büro der Bank zu sehen.
Von hier ist es nicht weit zum Palazzo Reale, zur Oper und zur Galleria Umberto, an einem großen Platz am Meer, vielleicht die einzige nicht komplett verbaute Stelle in der Stadt.