Bocas del Toro – Kakao, Seestern und ein schüchterner Rochen

Bocas del Toro – Kakao, Seestern und ein schüchterner Rochen

Von der Insel aus machten wir nochmal einen Abstecher zum Festland, zur Oreba Kakao Farm. Die Farm wird von einer Dorfgemeinschaft der Ngöbe Bugle bewirtschaftet und liegt in den Bergen, mitten im Dschungel. Der Taxifahrer war komplett irre und wir waren uns sicher, dass wir das Dorf über diese kurvigen Straßen nicht lebend erreichen würden. Zum Glück kannte er sich nicht mehr aus, nachdem er in den Wald abgebogen war und musste dauernd nach dem Weg fragen, so wurde er etwas langsamer.

Im Dorf waren wir und eine weitere Frau am Nachmittag die einzigen Gäste, Leute wuschen Wäsche im Fluss, andere bauten gerade eine Hütte. Körbe mit Früchten wurden über die Straße getragen. Die Frauen trugen alle diese wunderschönen Kleider in verschiedenen Farben. Rätselhaft, wie sie diese leuchtenden Stoffe ohne Waschmaschiene so sauber bekommen. 

Samwel und Darleen führten uns über die Farm, baten uns aber erstmal ins Haus und servierten uns ein typisches Gericht. Reis, eine super leckere Wurzel und aus der dazugehörigen Pflanze eine Art Spinat, dazu ein Stück Hühnchen und die obligatorische karibische Chilisoße. Angerichtet war das Essen in einer Schale aus einer lokalen, kürbisartigen Frucht. Eine kleine Stärkung für die folgende Wanderung.

Früher, so erfuhren wir, bauten die Bauern hier Kakao auf konventionelle Art an, Monokultur, Pestizide, große Felder. Das habe sich aber bei sinkenden Kakaopreisen nicht mehr so richtig gelohnt, der Ertrag reichte kaum zum Überleben. MIt Hilfe eines KFW Kredits stellte das Dorf auf Bioanbau um und als Zusatzverdienst gibt es diese Führungen. Die Plantage dehnt sich nun auf den ganzen umliegenden Dschungel, bis hoch in die Berge aus, ungefähr die Hälfte der Dorfbewohner leben dort oben. Anbau, Pflege und Ernte sind mühsam im Gelände und mit den weit verstreuten Bäumen. Viel Geld verdienen sie auch damit nicht, führen aber ein viel besseres Leben. Darleen sagte, sie seien zwar arm, hätten aber immer genug zu Essen. Auf der Farm wächst in Permakultur alles, was sie zum Leben brauchen: Essen, Baumaterial, Medizin. Die Einnahmen aus dem Verkauf der Bohnen in die Schweiz und den Touren fließen in eine gemeinsame Kasse, falls ein Dorfbewohner mal einen Arzt braucht, oder für weiterführende Schulen für die Kinder. Eine Grundschule gibt es im Dorf. 

26 verschiedene Kakaosorten wachsen hier auf der Farm, reif sind die gelben oder die roten Schoten und nach der Ernte muss man sie erstmal schütteln, um herauszufinden ob sich das Öffnen lohnt oder die Früchte verdorben sind. Dann wird die dicke Schale mit der Machete geöffnet.

Das erfuhren wir oben über dem Dorf an einem Picknickplatz mit einem schon ganz schön ausgehöhlten Stein. Auf dem wird vermutlich schon seit Jahrhunderten Kakao gemahlen. Zwei weitere Frauen erwarteten uns hier, um uns den Weg von der Schote zur Schokolade zu zeigen. Darleen öffnete dafür erstmal eine Frucht und ließ uns die mit Fruchtfleisch umhüllten Bohnen kosten. Das Fleisch war süß und der Kern noch weich und etwas cremig. In dem Zustand müssen die Bohnen erstmal eine Weile fermentieren. So lange konnten wir natürlich nicht warten, die Frauen hatten da schon was vorbereitet. Auch den rohen, fermentierten Zustand durften wir probieren, hier kam erst der bittere Geschmack dazu. Dann wurden ein paar Bohnen im Topf geröstet und auf dem Stein zu einer leckeren Paste zerrieben, Schokolade, 100%. Ein paar Bohnen durften wir auch selbst reiben. Außerdem wurde noch eine Variante mit etwas Honig und Kokos verkostet. Hier im Dschungel wird Schokolade nur so gegessen. Auf dem offenen Feuer wurde dann noch ein Kakao für uns zubereitet, nur aus Wasser und Kakaopaste. Sehr lecker.           

Die Früchte wachsen direkt am Stamm, aus eigenartigen, winzigen weißen Blüten, die von Mosquitos befruchtet werden. Dafür also sind Mosquitos gut. Samwel war nicht ganz zufrieden mit dem Zustand der Plantage, fand, dass einige Bäume zu hoch geworden waren und zuppelte hier und da etwas Moos ab. Er räumte aber auch ein, wie mühselig und teils auch gefährlich es sei, die Plantage zu bewirtschaften. Er selbst hätte auch Platz für mehr Bäume, kann aber nicht mehr Pflege und Ernte leisten und sei schon von giftigen Schlangen angegriffen worden.  

Auf dem Weg nach unten machte Darleen noch ein Faultier mit Baby für uns ausfindig und zeigte uns ein größeres Gebäude, dass sie mit Hilfe des Kredits gebaut haben. Hier wird die Schokolade für den kommerziellen Verkauf zubereitet, denn dafür ist der Stein im Wald dann doch zu unhygienisch.  

Zum Abschied gab es eine herzliche Umarmung, dann fuhr Samwel mit uns zurück nach Colon, um seine Produkte in ein Feinkostgeschäft zu bringen. Unterwegs fuhr das Taxi natürlich wieder einen Umweg und holte am Busbahnhof große schwere Kisten ab, die übliche panamaische Logistik.   

Das obligatorische Bild auf Colon, schrottreife Fahrräder mit verrosteten Ketten, manchmal mit Surfbrett dran. Unser Vermieter stellte uns ebenfalls zwei davon bereit, mehr Rost als Rahmen. Wir wollten zum Bluff Beach, nur zwei Kilometer entfernt. Zwei Kilometer können ganz schön weit sein. Wahrscheinlich waren die Räder nicht so alt wie sie aussahen, sie haben in diesem Klima nur kaum eine Überlebenschance. Die rostige Kette war nach wenigen Metern zusätzlich dick mit Sand paniert. Bremsen war gruselig, es gab nur Rücktritt und ich hatte Sorge, dass die Kette bergab einfach reißt. Auch dass die Gabel bei einem Schlagloch abbricht, war nicht unwahrscheinlich und so balancierten wir wie auf rohen Eiern am Strand entlang. Christians Kette verabschiedete sich alle paarhundert Meter. Irgendwann gaben wir einfach auf, schlossen die Räder an und gingen den Rest zu Fuß. 

Unterwegs fing es etwas an zu regnen, bei der Luftfeuchtigkeit war das eigentlich völlig egal, aber der Rückweg wurde zu einer glitschigen Rutschpartie. 

Pünktlich zum Mittagessen erreichten wir ein Restaurant mit einer gemütlichen Terrasse und unzähligen Kolibris. Von dort gingen wir über den Strand zurück. Wir kühlten uns im Meer ab, fanden aber die Strömung etwas zu stark, sodass wir doch ein Bad später am Punch Beach bevorzugten. Der Strand war wunderschön, Sand, so weit das Auge reicht, hier und da ausgebleichtes Treibholz und Kokospalmen. Perfekt für einen herrlichen Spaziergang, begleitet von einer Brüllaffengruppe, bis wir wieder auf die Fahrräder trafen.  

Traumhafte Strände hat Colon nicht zu wenig und als wir anfingen zu glauben, wir hätten schon die schönsten gesehen, wurden wir immer wieder eines Besseren belehrt. Durch das bergige und kurvige Inselinnere, vorbei an kleinen Dörfern und Tälern und dem ein oder anderen Huhn auf der Straße, fuhren wir zum Dragon Beach. Zwischen ein paar vereinzelten Häusern beginnt hier ein kleiner Pfad zum Starfish Beach, der nur zu Fuß oder per Boot erreichbar ist. Über morsche Brücken durchquerten wir einen Mangrovensumpf und landeten dann in einer traumhaften Landschaft, Palmenwald, weißer Sand mit transparent bis hellblauem Wasser und dahinter eine tiefblaue Bucht, breiteten sich vor uns aus.

Wir überlegten, ob es sich lohnt weiter zu gehen, denn schöner könnte es nun wirklich nicht mehr werden. Wurde es auch nicht. Nach einer Viertelstunde erreichten wir den Strand mit der Seesternen, der komplett mit Fresshütten und Souvinirständen zugebaut ist, an den meisten läuft laute Musik. Im Wasser dröhnen die Bananenboote. Und hier soll es Tiere zu sehen geben? Ja, einzelne Seesterne waren noch am Strand verblieben, wurden aber immer wieder von fett geschminkten und gestylten Insagrammern, die offensichtlich ausschließlich dafür hergekommen waren, für ein Selfie aus dem flachen Wasser gezerrt. 

Ein abstoßendes Spektakel, wir kauften uns ein kaltes Bier und gingen zurück zum schönen Strand, wo wir uns ein schattiges Plätzchen ohne Kokosnuss über dem Kopf suchten. Beim Schnorcheln entdeckten wir Kugelfische und einen Rochen, der versuchte, sich im Sand zu verstecken. Vom Meer aus sah der Strand fast noch spektakulärer aus. Palmen recken ihre Köpfe durch das dichte Mangrovendach und an Land rangen bunte Vögel, riesige Schmetterlinge und kleine Krebse um unsere Aufmerksamkeit.

Als wir mehrere, hauptsächlich mit Handtüchern bekleidete Leute zum Dragon Beach gehen sahen, fiel uns ein, dass wir gar nicht wussten, wann der letzte Bus in die Stadt fährt. Wir schlossen uns an. In den Wurzeln der Mangroven waren jetzt am Abend große Krabben unterwegs, die sich schnell in ihren Löchern verkrochen. Der erste Bus war schon voll, aber es wurden noch Leute reingestopft, so lange die Tür zuging. Dann schaukelte er mit schrillen, bunten Blinklichtern und lauter karibischer Musik über die sandige Piste davon.

Wir warteten lieber auf den nächsten. Ein paar Leute holten sich noch Bier im Becher für die Fahrt, die sie später gekonnt durch die steilen Kurven im Gebirge balancierten. Discolicht gab es im Bus, Musik natürlich auch und unterwegs stiegen immer noch mehr Leute zu, zum Beispiel von einer Wahlwerbeparty. Die Stimmung im Bus war eine Mischung aus Klassenfahrt, Nachtbus mit betrunkenen Clubbesuchern und Shuttle im Freizeitpark und ab und zu brüllte jemand von hinten “pared” und der ganze Gang wurde neu durchgemischt, weil jemand ganz hinten aussteigen wollte. Dass wir eine Weile unterwegs waren, erklärt sich von selbst.

Die Kommentare sind geschlossen.