
Boquete – Erdbeeren und Blumen aus dem Nebelwald
Zu warm, nach einer Woche brauchten wir dringend eine Abkühlung und wo kommen eigentlich diese ganzen Erdbeeren her? Weit im Westen sind die Berge hoch genug, dass man nachts eine dünne Jacke tragen kann oder wie die Leute aus Panama sagen, dort ist es richtig kalt.
45 Minuten mit dem Flugzeug oder neun Stunden im Bus? Ach was, wir wollen ja das Land sehen und eigentlich kommt fliegen sowieso nicht in Frage, wenn es anders geht. So fuhren wir zum Busbahnhof in Albrook, an der Endstation der einzigen Metrolinie. Verlaufen kann man sich nicht, der Menschenstrom aus der U-Bahn spülte uns direkt in das riesige Terminal. Jedes Reiseziel hat einen eigenen Schalter und Tickets gibt es erst eine Stunde vor Abfahrt. 15$ kostete die Fahrt nach David. Genauer, 15$ und 25ct, die 25ct. braucht man passend und an einem Stück, um zum Bus zu kommen, hatten wir natürlich nicht und verstanden haben wir es auch erst viel später. Eine freundliche Frau legte zum Glück ihre Karte für uns auf und spendierte uns den Eintritt. Dann sammelte der Busfahrer einen der vielen Abschnitte des Tickets ein, zum Beweis dass wir im Bus waren. Die restlichen Abschnitte sollten wohl nach der Pause eingesammelt werden, damit niemand auf der Raststätte zurückgelassen werden konnte. Da hatte der Busbegleiter aber garkeine Lust drauf und holte sie sich vor der Pause ab.
Als Touristen bekamen wir die Plätze mit der besten Aussicht, oben vorne. Wir waren darüber aber etwas zwiegespalten. Einerseits konnten wir gut rausgucken, andererseits war die Scheibe völlig zersprungen und notdürftig mit Klebeband repariert worden, den nächsten großen Ast der im Weg hing, würde das Glas wohl nicht mehr überstehen. Doch der Aussicht wegen blieben wir trotzdem sitzen und der Busfahrer umfuhr aufmerksam alle Bäume.
Um aus der Stadt zu kommen fuhren wir erstmal durch dichten Dschungel, dann ein letzter Blick auf den Kanal und von nun an führte die Panamericana bis zum Nachmittag fast nur noch geradeaus. Ab und zu stieg jemand im Nirgendwo zu und mancherorts kamen für eine Teilstrecke Snackverkäufer, Schmuckhändler oder Leute, die Werbung für einen Präsidentschaftskandidaten machten, in den Bus.
Größtenteils ist die Panamericana eine vierspurige Autobahn, dennoch rennen in Dorfnähe ab und zu Hühner über die Straße oder jemand fährt mit dem Fahrrad darüber. Über die tiefen Regengräben in der Mitte führen kleine Brücken, über die Straße ist scheinbar der einzige Weg um hier von einem Ort zum anderen zu kommen. Ganz selten gibt es Fußgängerbrücken, aber die nutzt scheinbar niemand. Ein Auto braucht man nicht, um die Autobahn zu benutzen, ein Pferd reicht auch. In den ländlichen Gegenden waren viele Leute auf Pferden unterwegs, obligatorisch dafür, der Panamahut.
Von Panama City nach David hatten wir nun die Hälfte des Landes durchquert. Hier, in der zweitgrößten Stadt fanden mehrere Wahlveranstaltungen statt und wir fingen an uns zu fragen, ob die Wahl wohl bald unsere Reise beeinträchtigt. Von David nach Boquete war es noch etwa eine Stunde und es fuhren alte bunte Schulbusse. So richtig Lust hatten wir aber nicht uns mit Gepäck dort rein zu quetschen und nahmen lieber ein Uber. Jetzt im Berufsverkehr fuhren wir Abkürzungen und sahen zahllose bunte Vorgärten von kleinen Villen, die wahrscheinlich Ausländern gehören. Boquete ist ein Beliebter Ruhestandsspot und bekannt für Blumen.
Das letzte Stück führte die Straße wieder schnurgeradeaus und nach oben. In alle Richtungen liegen weite Felder, aha, die Erdbeeren. Und am Horizont liegen die schroffen hohen Berge. Der höchste Gipfel, der Vulkan Baru, ist über 3000 Meter hoch. Vor den Bergen hängen einzelne dicke Wolken und tauchen die Landschaft in ein magisches Licht. Dann, ein buntes Tal mit Fluss und kleinen bunten Häuschen und wie bisher bei allen Orten in diesem Land, Liebe auf den ersten Blick. Auf halber Höhe zwischen David und Boquete schaltete unser Fahrer die Klimaanlage aus und öffnete das Fenster, ja, in diesem Klima werden wir es länger aushalten.
Außerhalb von Panama City gibt es kaum größere Hotels, nur noch kleine Privatunterkünfte. Wir hatten eine mit einem bunten Garten ausgesucht. Der riesige Mangobaum an der Straße trug hunderte Früchte und das Haus war mit Blumen überrankt. Auf dem Weg zur Terrasse wuchsen Palmen, Kaffee und Orchideen. Dazwischen hängen ein paar Zuckertränken für die vielen bunten Kolibris, die scheu durch den Garten schwirren. Von der schattigen Terrasse konnten wir den Ort im Tal sehen.
Eigentlich ist Boquete ein langes Dorf. Zwei parallele Straßen unten am Fluss, mit Restaurants und Geschäften, dahinter am Hang die Wohnhäuser und überall, wo irgendwie Platz ist, Blumen, Blumen, Blumen, an der Straße, auf den Plätzen und Brücken, an jedem Haus.
Und die Leute hier? Die sind ganz anders als in Panama City, reiche Expats im Ruhestand, hauptsächlich Deutsche und Amerikaner, die sich in den teuren italienischen Restaurants und Feinkostgeschäften versammeln. Dazu die Touristen, zu 90% blonde Frauen unter 30, allein oder in Gruppen, super seltsam. Wir vermuten, das liegt daran, dass Panama das sicherste lateinamerikanische Land ist. Und dann gibt es hier natürlich auch ein paar Einheimische, hauptsächlich indigene Ngöbe-Bugle, die das Stadtbild mit ihren wunderschönen bunten Kleidern prägen.
Und unten am Fluss liegt das Messegelände, mehrmals im Jahr finden hier Blumenmessen statt. Der beliebteste Snack, Fresa con Crema, Erdbeeren mit gezuckerter Kondensmilch. Das ganze Gelände duftet und zwischen den Beeten stehen bunte Tierfiguren und Pilzhäuschen und große Froschfiguren sitzen in einem kleinen Bach mit Wasserfall. Ja, sehr kitschig, aber es passt einfach zu diesem Ort.
Hier am Park fanden wir auch unser Lieblingsrestaurant, mit einer traumhaften Terrasse an den Beeten, dahinter der Fluss und die niedliche bunte Stadt.
Auch zum Frühstücken hatten wir schnell unser Stammrestaurant ausgewählt, El Sabroson, auf Empfehlung des Tourguides auf der Kaffeefarm, dort wo die Einheimischen essen. Das Restaurant war eher eine Kantine, wo wir an einer langen Theke alle Frühstückskomponenten einzeln wählen konnten. Wir waren die einzigen Ausländer, aber die Frau an der Theke war geduldig mit unseren vielen Fragen in schlechtem Spanisch. Die Hälfte der Auswahl war irgendwas aus Mais, Kuchen, Polenta, Tortilla und was man sonst noch so aus Mais zubereiten kann. Außerdem gab es immer gebratenes Fleisch in allen Varianten, morgens gibt es noch ein Ei dazu. Der Gastraum ist eher kahl und funktional und hat eine dicke Patina, ohne Empfehlung hätten wir hier nicht gegessen, weil es meistens nicht besonders voll war. Beim Essen merkten wir aber, dass eigentlich immer eine kleine Schlange an der Theke war. Die Leute bleiben nur nie lange oder nehmen das Essen gleich ganz mit.
Abends zieht der dichter Nebel aus dem Dschungel ins Tal und bleibt bis zum Morgen. Dann genossen wir das kühle Klima vom Balkon aus, beobachteten die Eichhörnchen am Zaun und die spielenden Kinder auf der Straße. Von hier konnten wir die Berge sehen. Nur mit einem Vogel gab es etwas Stress, der klopfte an die Scheibe oder lauerte uns auf und brachte uns Geschenke, meist große Blüten. Jemand musste ihn angefüttert haben. Leider kackte er aber auch den ganzen Balkon voll.
In Boquete besuchten wir den ersten Supermarkt des Landes, wir brauchten Proviant für eine Wanderung und wie so oft, gab es im Supermarkt einige Überraschungen. Zum Beispiel, meine neue lieblings Chipssorte mit Zitronenkuchengeschmack und Macheten zum günstigen Preis von 5,30$. Jetzt könnte man sich wundern, braucht man eine Machete nicht nur, um den dichten Dschungel zu durchqueren? Nein, erstens ist der Dschungel hier überall und hat, wenn man länger Urlaub, macht wahrscheinlich das Haus übernommen. Zweitens sind Macheten in Panama das wichtigste Werkzeug in jedem Haus und Garten, Hecke schneiden, Rasen mähen, Früchte ernten, Kokosnuss aufmachen, Mango schälen,… – Machete.