Budapest – Pest – Nachtleben, Pálinka und die beliebteste Hand der Stadt

Budapest – Pest – Nachtleben, Pálinka und die beliebteste Hand der Stadt

Die Ungarn brachten viele Erfindungen hervor, unter anderem das Sodawassen. Wasser als Nationalgetränk wäre aber eher langweilig, deshalb wurde dazu gleich noch das Fröccs erfunden, nichts anderes als eine Weinschorle in sehr großen Gläsern mit verschiedenen Mischungsverhältnissen. Mein Favorit ist der sogenannte Hausmeister mit 3 dl Wein und 2 dl Wasser und der schmeckt am besten in einem Biergarten oder einer Ruinenbar. 

Von den zahlreichen Ruinenbars suchten wir uns die älteste aus, Szimpla Kert. Abends war hier die Hölle los und die ramschige Deko ging fast in der Menschenmenge unter. Am Eingang tranken Leute Schnaps in einer Badewanne und von den halb eingerissenen Mauern beobachteten verwitterte Gartenzwerge das Geschehen. Es gibt zahllose Räume und jede Bar ist anders, in der Mitte ein großes Blumenbeet, außen dient Elektroschrott als Trennwand oder Bilder vom Flohmarkt. Neue Stahltreppen verbinden die Reste der Gebäude. Hier ein Klavier, dort ein altes Reittier aus dem Einkaufszentrum, mehrere düstere und halb verfallene Treppenhäuser führen zusätzlich in die oberen Stockwerke. In einem alten Wohnzimmer gab jemand ein wundervolles Elektrogeigenkonzert. 

Am Abend vom Gewimmel völlig erschlagen, besuchte ich die Ruinen nochmal am Nachmittag und fühlte mich wie in einem verrückten Museum.

Das Ausgehviertel mit den meisten Ruinenbars ist das jüdische Viertel in Pest. Hier steht außerdem die zweitgrößte Synagoge der Welt und eine große Community mischt sich unters Partyvolk, nein, eher andersrum. Außerdem kann man hier spätabends noch Gulasch essen und ring herum finden sich die schönsten Plätze und kleine Parks. Das Viertel ist ein Flohmarkthotspot und an heißen Tagen wie diesen, stehen hier und da Tore aus Wasserrohren, die einen feinen Nebel zu Erfrischung versprühen.  

Neben dem Fröccs gibt es noch ein weiteres Nationalgetränk, Pálinka. Wir wurden ab und an für das Wort Obstbrand gerügt, Pálinka ist was ganz anderes. Schnaps aus ausschließlich ungarischen Früchten, in Ungarn gebrannt, mindestens 37% Alkohol und ohne Zusatz von Zucker. Aber genau genommen doch Obstbrand. Das Palinkamuseum liegt zwischen dem jüdischen Viertel und unserem und so kamen wir immer mal wieder daran vorbei und hatten es auf eine Führung mit Tasting abgesehen. Doch der Laden war zu leicht erreichbar und die kurze Führung zu leicht in den Tag zu integrieren, sodass es das Museum nie in unseren Tag schaffte, wir können später noch… Kerstin und ich ließen dann nach einem fettigen Essen die Führung einfach weg und probierten uns freihändig durch die riesige Karte. Die interessanten Sorten wie rote Beete oder Karotte schmecken nicht mal schlecht, unter die Favoriten schafften es jedoch Ingwer und ein aged Traubenschnaps, der ein bisschen nach Whisky schmeckte. Interessant war der riesige Geschmacksunterschied zwischen den gleichen Obstsorten aus verschiedenen Brennereien.

An Möglichkeiten für den Abend fehlt es in Pest und besonders in unserem Viertel nicht. Wir fanden schnell unsere Stammkneipe und verbrachten so manchen Abend in der Grease Monkey Bar, am anderen Ende der Straße. In dem steampunkartig eingerichteten Keller saßen wir auf alten Kinosesseln und probierten uns durch weitere Spirituosen, wie Mohnlikör. Schon am zweiten Abend wurden wir wie Stammgäste behandelt und die familiäre Atmosphäre lockte uns sogar ein drittes Mal. Jederzeit, auch nachts um zwei, wurde die Küche geöffnet und ein Leckeres Sandwich gezaubert.       

Die Spezialität unseres Viertels sind jedoch die Restaurants. Kerstin entdeckte die Einhornbar und am nächsten Abend saßen wir mit pastellfarbenen Weincocktails vor quietschbunten Burgern, die sich Surficorn und Angrycorn nannten. Zum Nachtisch gab es einen noch viel bunteren Kuchen. Überraschend sah das ganze nicht nur total lustig aus, sondern schmeckte auch ziemlich gut.   

Am nächsten Tag speisten wir etwas düsterer im Piratenrestaurant. Piraten essen scheinbar eher Pizza und zur Vorspeise gab es einen verfluchten Schädel, der erst durch einen Schuss aus einer Pistole seinen Fluch zur Schau stellte.

 

Schade war nur, dass wir nicht alle Themenrestaurants in der Umgebung besuchen konnten, doch es gab auch so viel anderes Leckeres, das wir uns nicht entgehen lassen wollten.

Nebenan gab es einen ganz kleinen Pelmeni Laden mit leckeren Füllungen und sogar süßen Varianten zum Nachtisch. Die verspeisten wir in unserem gemütlichen Wohnzimmer. 

Im Haus macht sich die Gentrifizierung bemerkbar, die meisten Wohnungen haben Schlüsselkästen wie unsere und scheinen Ferienwohnungen zu sein. Nur ein paar wenige ältere Bewohner  sind noch da. Vor den offenen Innenhof wurde gerade ein großes Betongebäude gesetzt und kein Sonnenstrahl dringt mehr zu den Eingängen durch. Schöne zentrale Unterkünfte für uns, aber wirklich traurig für die Einwohner der Stadt.

Pest hat nicht nur schöne Ausgehmöglichkeiten, sondern auch Sehenswürdigkeiten, wie die zwei Kilometer lange Prachtstraße, die von der Kettenbrücke zum Heldenplatz führt. Schon am Sonntag staunten wir bei der Anreise aus dem Auto heraus. Prachtbau reiht sich an Prachtbau auf der Allee, jedes Gebäude ist anders verziert. Unter der Straße verläuft die älteste U-Bahnline des europäischen Festlands.

Eines der schönsten Gebäude darunter ist die Oper. Angeblich soll der österreichische Kaiser verboten haben, dass Budapest eine größere Oper erhält als Wien. Daran hielt man sich, die Oper wurde kleiner gebaut, dafür aber verzierter und prunkvoller. Was für ein Ärgernis für den Kaiser, was für ein Glück für uns. Das Gebäude wollten wir auf jeden Fall auch von innen sehen, lag es doch fast vor unserer Tür. Zwischen Aufführung und Führung wurden wir uns nicht einig, bis wir feststellten, dass es Karten für 5€ gab. So wurden doch von allen die schicksten Sachen rausgekramt und manch einer bügelte sogar noch schnell ein Hemd.

Die Plätze waren natürlich nicht die besten, aber die Aufführung, La Traviata war wirklich schön und das Gebäude ließ uns auch von innen staunen. 

Nicht weit von der Oper, an der Hauptstraße steht die Stephansbasilika. Tag für Tag blieben wir staunend vor der Kirche stehen, entdeckten eine weitere Figur oder ein anderes hübsches Detail. Da gibt es sicher noch was im Inneren zu entdecken. So trafen wir uns eines Nachmittags bei einem Fröccs auf dem Kirchplatz und beobachteten die Ticketschlage, denn auf Anstehen hatte niemand Lust. Da, eine Lücke, und bald schon standen wir unter der goldenen, verzierten Kuppel. Trotz vieler Besucher war der Innenraum ruhig und atmosphärisch und wir setzten uns eine Weile. 

Hauptattraktion der Kirche ist jedoch eine Reliquie, die heilige Rechte. Der abgetrennte Unterarm des heiligen Stephan, mit zur Faust geballten Hand, mumifiziert und in einem beleuchteten Glaskasten ausgestellt. 

Über eine lange Wendeltreppe kamen wir auf das Dach der Kirche, der faulere Teil nahm für das letzte Stück den Aufzug. Oben entdeckten wir die schönen Häuser aus einer anderen Perspektive und einige Bauherren hatten sich wohl gedacht, dass auch mal jemand von oben drauf gucken würde. 

Die Kommentare sind geschlossen.