
Røros und Trondheim – bei Pippi Langstrumpf im Bergwerksdorf und wie man einen Fahrradaufzug benutzt – theoretisch
Objektiv betrachtet war der Campingplatz im Namdal auf dem Weg nach Trondheim wohl wieder einer der schönsten. Subjektiv litt er unter dem Platz von gestern Abend. Wahnsinnig gemütlich war es hier, wir durften mit dem Auto wieder am Flussufer stehen, unterhalb des eigentlichen Platzes, an einem kleinen Wäldchen mit Hängematten. Bäder und Küche sind in einem rustikalen roten Holzhaus versteckt, mit schattiger Terrasse und auch dieser Platz wirkt, als hätten wir ihn für uns allein. Das Namdal ist zwar wunderschön, erinnert uns aber landschaftlich an den Odenwald nur mit Fjord. So verbrachten wir dann doch den ganzen nächsten Tag in Trondheim.
Die Atmosphäre der Studentenstadt spürten wir sofort und alte verzierte Holzhäuser prägen das Stadtbild. Hier steht das größte Holzhaus der Welt mit über 140 Räumen, der Sommersitz der Königsfamilie, Stiftsgarden. Von den 140 konnten wir nur 12 Räume besichtigen und fragten uns, ob die anderen womöglich ähnlich eingerichtet sind wie unsere Wohnung, Flezcouch, bequeme Sessel und vielleicht eine Spielekonsole? Vorstellen konnten wir uns das gut, denn auch die öffentlichen Räume sind eher schlicht für einen Palast. Weil man in einem Holzhaus schlecht etwas Gemauertes unterbringen kann, wurden die Kamine kurzer Hand in Marmoroptik gestrichen und die Parkettböden bekamen Fliesen aufgemalt. Schlecht isoliert sei das Haus, deshalb würde man im Winter einfach Zeitungspapier zwischen die Doppelfenster stopfen. Draußen bleibt es ja sowieso den ganzen Winter dunkel. Eindrucksvoll sind das Haus und der Innenhof mit den alten Kastanien dennoch.
Von hier schlenderten wir zum Wahrzeichen Trondheims, Gamle Bybro, eine alte Holzbrücke. An diesem Nachmittag gab es auf der Brücke ein kleines Kunstprojekt. Jugendliche hatten mehrere Boxen in unauffälligen Beuteln versteckt, eine Mischung aus plätscherndem Wasser, Musik und Windgeräuschen untermalte die Stimmung des Viertels zwischen den alten Lagerhäusern.
Direkt auf der anderen Flussseite entdeckten wir den Fahrradaufzug, der uns eine Weile beschäftigen sollte. Wir sahen gleich eine Frau, die ihn benutzte. Fuß drauf stellen, Knopf drücken, lautes Piepen abwarten und los geht’s nach oben. Total einfach, nicht?
Glücklicherweise stehen direkt nebenan ein paar Leihfahrräder, was auch immer es da oben am Berg gibt, wir wollten hoch.
Also Fuß drauf, Knopf drücken, Piepen abwarten,… nun kommt eine ganz schmale Metallschiene aus der Fußstütze, auf der man irgendwie den Fuß halten muss. Mist, Fahrrad zu schwer, nicht richtig aufgepasst, runter gerutscht, nächster Versuch. Piepen abwarten, Fahrrad nach vorn drücken und, abgerutscht. Christian hatte etwas mehr Ausdauer und am Wegesrand saßen zwei ältere Männer, die hier scheinbar den ganzen Tag mit klugen Ratschlägen verbringen. So richtig half davon keiner. Dafür sind wir jetzt auf den Urlaubsvideos mehrerer asiatischer Touristen zu sehen. Christian schaffte nach zahlreichen Versuchen ein gutes Viertel. Vielleicht beim nächsten Mal, mit leichteren Fahrrädern. Unten in der Stadt gibt es zum Glück auch noch genug zu sehen.
Wir schlenderten durch die urigen bunten Gassen hinter den alten hölzernen Lagerhäusern und entdeckten auf der anderen Seite des Flusses hier und da einzelne Kunstobjekte und für Midsommar bunt geschmückte Straßen.
Eigentlich wollten wir den Dom besichtigen, konnten aber wegen einer Konferenz nicht hinein. Er beeindruckte uns aber auch von außen, mit der dunklen Steinfassade im sonst eher bunten und hölzernen Stadtbild und so vielen Figuren und Details, dass der Anblick fast überforderte.
Am frühen Abend verließen wir die Trondheim und fuhren eine schmale Küstenstraße am Trondheimfjord entlang ins Landesinnere. Hier wandelt sich der Baustil, die bunten Häuser weichen Braunen aus geflammtem Holz, häufig auf kurzen Stelzen, mit Jagdtrophäen verziert und Moos bewachsen. Am Abend zog mystischer Nebel durch die Berge und es dämmerte zum ersten Mal wieder etwas.
Am nächsten Tag kamen wir durch dichte Nadelwälder, die wilden Flüsse und Wasserfälle hier sind gelb gefärbt vom Boden, statt blau aber dennoch klar. Unser Ziel liegt an der schwedischen Grenze, Røros, ein kleines Bergbaustädtchen. Von den norwegischen Städten, die wir bisher besucht haben, gefällt es uns hier am besten. Obwohl etwas touristisch, ist die Atmosphäre ruhig und einladend und irgendwie kamen uns die langen schmalen Straßen bekannt vor. Woher bloß? Erst als wir im Souvenirshop die Pippi Langstrumpf Artikel entdeckten, erkannten wir den Drehort.
Für den kleinen Ort gibt es eine verhältnismäßig große Kirche, natürlich aus Holz.
Endlos ziehen sich die kleinen Holzhäuser den Berg hinauf, meist in dunklem braun, dazwischen einzelne bunte und fast immer mit kleinen bunten Vorgärtchen. Selbst auf den Straßen fühlt es sich heimelig an, noch gemütlicher wurde es im Cafe. Zwischen Holzbalken und weichen Kissen gab es den leckersten Apfelkuchen und frische Waffeln und draußen einen wilden, blühenden Garten mit alten Bäumen zwischen den Gemäuern.
Als es anfing zu regnen, besuchten wir das Museum. Was für ein Glück mit dem Regen, denn hier wollten wir eigentlich garnicht rein und hätten so das Beste verpasst. In der alten Schmelzhütte ist das ganze Bergwerk detailgetreu in klein nachgebaut. Durch kleine Fenster mit schummriger Beleuchtung bekamen wir ein gutes Bild von der beschwerlichen Arbeit, vom Abbau bis zur Verarbeitung des Kupfers und dem Leben der Arbeiter. Kleine Pferde zogen Karren durch die Schächte und an der Oberfläche laufen die Mühlräder. Alles bewegt sich emsig in diesem eindrucksvollen Modell. Die Miene zieht sich durch mehrere Räume, klein und doch riesig. Die Räume selbst sind kein schickes Museum, sondern einfach die halb verfallene Hütte im Originalzustand. Eine seltsame und gelungene Kombination, dass das Museum gleichzeitig Teil des Ortes ist, der in klein darin ausgestellt wird.
Der Regen ließ erst spät am Abend nach und machte die Weiterfahrt Richtung Süden etwas abenteuerlich. Nicht weit von Roros beginnt der Nationalpark Rondane mit ganz außergewöhnlicher Landschaft. Kilometerweit sind die Böden hier lückenlos mit Moosen und Flechten überzogen, Waldböden, Felsen, einfach alles. Wir hätten gerne eine Wanderung unternommen, doch der Regen hatte die Landschaft in einen Sumpf verwandelt und überall kleine Seen, Flüsse und Wasserfälle geschaffen, wo vorher die Wanderwege waren. Je tiefer wir aus den Bergen ins Tal kamen, um so häufiger trafen wir auf Überschwemmungen, schwimmende Heuballen, eine geflutete Scheune, eine Straße, die wir gerade noch passieren konnten, etwas später sicher nicht mehr.
Die Suche nach einem Campingplatz war heute nicht so einfach, denn der erste, den wir am Abend erreichten, stand schon unter Wasser und der nächste lag wie so oft auch direkt am Fluss. Schließlich fanden wir einen mit einer erhöhten Wiese. Der Regen hatte aufgehört, aber die Feuchtigkeit hatte ein Paradies für Mücken geschaffen und wir wurden von vielen Arten gleichzeitig umzingelt.
Am nächsten Tag kamen wir noch weiter durch diesen herrlichen Nationalpark, der Wald wich großen klaren Seen, weiten, felsigen Landschaften und Bergen. Nur die Flechten blieben lückenlos. gern wären wir noch etwas in Rondane geblieben, aber die Mücken vermasselten wirklich die Stimmung und weder Spray noch lange Kleidung reichten aus, um es draußen erträglich zu machen. Vielleicht zu einer anderen Jahreszeit.